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Archiv-Artikel

DIE EM VOM NORDEN AUS (8) Eine fällige kleine Fußball-Revolution

ist nicht der Onkel des Fußballspielers Wayne Rooney – und eben dadurch 2006 berühmt geworden

Martin Rooney

Manchen Kracher habe ich in meiner fußballverrückten Jugend in Manchester erlebt. Am lebhaftesten ist meine Erinnerung an das Abschiedsspiel von Bert Trautmann, dem in Gröpelingen geborenen Weltklasse-Torhüter von Manchester City, am 15. April 1964 im Stadion an der Maine Road.

Trautmanns Team an jenem Mittwochabend war eine kombinierte Auswahl, je fünf renommierte Feldspieler von City und United. Auf der anderen Seite standen in der englischen Nationalmannschaft nicht weniger klangvolle Namen. Unter ohrenbetäubendem Jubel gewann Trautmanns XI ein packendes Spiel knapp 5:4 vor – offiziell – 47.951 Zuschauern. Tatsächlich waren 60.000 da. Ich zählte zu den Tausenden, die, als über Lautsprecher bekannt gegeben wurde, das Stadion sei ausverkauft, einfach über die Mauer geklettert sind.

Das Spiel stand auf Messers Schneide. Einige Minuten vor dem regulären Spielende stürmten massenweise Zuschauer auf den Platz, um Trautmann am Ende seiner beispielhaften Karriere zu herzen. An ein Weiterspielen war nicht mehr zu denken. So ging ein denkwürdiger Fußballabend irregulär zu Ende aufgrund der ersten Platzinvasion in der Nachkriegsgeschichte des englischen Profi-Fußballs.

WM Sommer 1966: Als Belohnung fürs Abitur hatte ich Tickets geschenkt bekommen, für alle Spiele in Manchester und in Liverpool – und fürs Finale England-Deutschland am 30. Juli in Wembley. Der Streit um Geoff Hursts Geschoss in der Verlängerung, das von der Latte herunterkam und als drittes englisches Tor vom Schiedsrichter nach Rücksprache mit seinem Linienrichter anerkannt wurde, erhitzt heute noch die Gemüter in Norddeutschland. Erst 1996 bewiesen Oxford-Wissenschaftler per Computer-Analyse, dass der Ball tatsächlich vor der Linie war.

Dass das vierte englische Tor, wiederum durch Hurst, schlicht irregulär gewesen sei, höre ich seit Jahren bei meinen Reisen zwischen Helgoland und Hildesheim, weil Sekunden vorher englische Schlachtenbummler durch eine Platzinvasion den heiligen grünen Rasen von Wembley entweiht hätten …

Wenn die EM in Polen und der Ukraine vorüber ist, geht hoffentlich die – weitgehend – technikfreie Ära des internationalen Fußballs zu Ende: Am 5. Juli will das International Football Association Board, die oberste Regelinstanz, über die Zulassung von Torlinientechnologien entscheiden. Und diesmal scheint es ernst zu sein. Eine längst fällige kleine Fußball-Revolution. Dann gehören Diskussionen über Tor oder nicht – wie auch Platzinvasionen – hoffentlich der Vergangenheit an.