DIE DREI FRAGEZEICHEN : „Jahrhunderte leibfeindlich“
WARUM? Der Wiesbadener Pfarrer Ralf Schmidt hält am 14. Februar wieder einen erotischen Gottesdienst und will über die Lust und Scham predigen
taz: Herr Schmidt, was können wir uns unter einem erotischen Gottesdienst vorstellen?
Ralf Schmidt: Darunter verstehe ich einen Gottesdienst, der die Sinnlichkeit und die Lust des Menschen in den Mittelpunkt rückt und auch das Erleben der eigenen Körperlichkeit spüren lässt.
Warum ist es denn so außergewöhnlich, dass in der evangelischen Kirche über Sex gesprochen wird?
Es ist nicht außergewöhnlich, über Sex zu reden in der evangelischen Kirche. Das Außergewöhnliche ist, dass Sexualität zum Thema eines Gottesdienstes wird, weil auch die evangelische Kirche über Jahrhunderte der Leibfeindlichkeit ein Stück weit verpflichtet war und die Körperlichkeit und die Schamhaftigkeit nicht zum Tragen kam.
Sie haben 2012 einen solchen Gottesdienst gehalten, dass Medienecho war groß. Liegt das daran, dass das Wort „Erotik“ oft mit Schmuddeligkeit gleichgesetzt wird?
Ja, richtig. Weil wir nicht mehr unterscheiden zwischen Erotik und Pornografie. Und beides verwischt wird, und dann löst es Fantasien aus, wenn noch die Verbindung mit einem Gottesdienst zusammenkommt.
INTERVIEW: MARION BERGERMANN
■ Ralf Schmidt (48) ist Pfarrer der Erlösergemeinde Mainz-Kastel