DIE DEMONTAGE DES AUSLÄNDERRECHTS IST NOCH NICHT ABGESCHLOSSEN : Schily wird kernig
Dass der Bundesrat gestern das Zuwanderungsgesetz mit der Mehrheit der CDU-regierten Länder abgelehnt hat, wird selbst bei kampferprobten Fightern für die Rechte der Immiganten kaum mehr als ein Achselzucken hervorrufen. Warum sollte ausgerechnet die von Roland Koch geführte CDU-Ablehnungsfront einschwenken? Die von ihr geschürte Angstpsychose von der „Einwanderung in die Sozialsysteme“ fügt sich doch hervorragend ins politische Klima ein. Wenn die Axt gegen die sozialen Sicherungssysteme geschwungen, wenn allerorts eingespart werden soll, wird die Zuwanderung nur noch als zusätzliche Bedrohung des Sozialstaats verstanden. Von dem ursprüglichen Impetus der Süssmuth-Kommission, Deutschland endlich in politischer wie rechtlicher Hinsicht als Einwanderungsland fit zu machen, ist kein Hauch mehr zu spüren. Aber der Sturzflug ist noch nicht an seinem Ende angelangt.
Innenminister Schily hofft jetzt, dass Regierung und Opposition „im Vermittlungsverfahren aufeinander zugehen“. Er fordert die „große Koalition der Vernunft“. Soll die Vernunftehe klappen, bedarf es der Kompromisse. Hierfür bieten sich für Schily zwei Regelungen an: der Schutz bei nichtstaatlicher beziehungsweise geschlechtlicher Verfolgung und die Härteklausel. Beide Regelungen stehen unbestritten als Aktivposten in einem Gesetz, das sich den „nützlichen Einwanderern“ verschrieben hat und sich hinsichtlich der „unnützen“ vielfach durch Halbheiten und sogar durch Rückschritte auszeichnet. Gerade gegen diese beiden Aktivposten richtet die CDU ihr Sperrfeuer.
Schily betonte gestern, dass das jetzige Recht keine ausreichende Handlungsfähigkeit verschaffe. Rechtstechnisch ist das angesichts des ausländerrechtlichen Chaos richtig. Bleibt nur die Frage: Handeln wofür? Schily fuhr fort, es müsse „das ureigenste Recht der Deutschen sein, zu entscheiden, wer einwandern dürfe und wer nicht“. Ein kerniger Satz, der nur einen kleinen Pferdefuß hat. Auch das Einwanderungsrecht unterliegt dem Kriterium der Menschenrechte. Die machen an den Grenzen Deutschlands nicht Halt. CHRISTIAN SEMLER