DIE CLUB-LANDSCHAFT ALS SPÄTI-ERSATZ UND WIE SICH VERDRÄNGUNG AN EINEM SONNTAGNACHMITTAG ANHÖRT : Der Unterschied zwischen Rolf und Kristof
VON LAURA EWERT
Erst kürzlich freute ich mich noch, dass die Leute hier, wo ich wohne, ihre Schäferhunde Rolf nennen. Die im Bürohaus auf der Arbeit nennen ihre Golden-Retriever-Welpen nämlich Christoph und schreiben das vermutlich eher Kristof. Mir gefällt auch, dass es kein Café gibt und dass man sich auf dem Parkplatz des Discounters so wunderbar in Kleinstädte denken kann. Als hier immer mehr Clubs öffneten – mittlerweile sind es viereinhalb –, dachte ich mir nichts dabei. Es war sogar etwas aufregend. So wie früher auf dem Land, als die Billardkneipe plötzlich Spaß in Reichweite versprach. Ich hätte also, wenn ich mal nicht schlafen würde können, aus dem Bett flutschen können, rausgehen, die Straße überqueren und wäre auf der Tanzfläche gewesen.
Schlafen kann ich zwar glücklicherweise immer, aber einer der Clubs diente mir schon des Öfteren als Späti-Ersatz. Den gibt es hier nämlich auch nicht. Zumindest nicht nach zwölf. Und so eine unverhoffte Party, obwohl man nur mal schnell in Schlappen und mit Essensresten im Gesicht Zigaretten holen wollte, ist nicht zu verachten.
Als ich einmal nächtens auf dem Nachhauseweg von einer Feierlichkeit noch nicht schlafen wollte, lag ein anderer der Clubs ebenso praktisch in Bettnähe. Allerdings fragte mich an der Tür direkt eine junge Frau, ob ich denn sicher sei, dass ich hier richtig wäre. Ich gebe zu, ich hatte ein hochgeknöpftes und sehr weißes Herrenhemd an, denn es war eine festliche Feierlichkeit von der ich kam, und der Club hatte so einen alternativen, eher linksalternativen Ruf. Aber untenrum, da war ich mir ziemlich sicher, war ich hier richtig. Und ganz obenrum auch. Weil man aber solche Dinge wie gefühlte Zugehörigkeit nicht erklären kann und es an Clubtüren auch besser nie probiert, ging ich eben doch schlafen. Nur ein ganz klein wenig traurig darüber, dass ich bei der neuen Clubmeile in der Nachbarschaft nicht mitmachen durfte und etwas nachdenklich, ob ich mit meinen Identitätsvorstellungen vielleicht lange Zeit falschlag. Beziehungsweise in der Außendarstellung komplett versagte.
Am Nachmittag des Sonntags war auch noch ein Ausgehtag, und mit Kleid und Sonnenbrille ging ich vor die Tür, vorbei an Club 1 in Richtung S-Bahnhof, guter Dinge, schlendernd und Rolfs Reste umgehend. Auf der anderen Straßenseite kamen mir ein Mann und eine Frau entgegen. Mit Bierflaschen und Apfelsaft in der Hand steuerten sie in Richtung Clubeingang, und ich muss starrend geträumt haben. Mensch, dachte ich noch, ist doch super, die können hier ihre Getränke einfach mitbringen, als der Typ mich anschnauzte: „Kannst du nicht woanders langgehen?“ Mehr als ein irritiertes Grinsen kam nicht so richtig aus mir heraus. Spontan betrachtet machte das ja auch alles keinen wirklichen Sinn. Woanders langgehen. Nee, ist schwer. Dafür müsste ich die andere Haltestelle nehmen und eigentlich sehe ich das auch gar nicht. „Klirrrrr“. Neben Club 2 trat jemand aus Versehen gegen eine am Boden liegende Flasche. Aus Irritation wurde mit jedem Schritt ein wenig mehr Ärgernis und als sich 200 Meter weiter auch noch ein junger Mann vor mir aufbaute und lallend sagte: „Ey, du bist doch ’ne süße Maus, hast du mal Feuer für mich“, verstand ich endlich, was die Leute immer meinen, wenn sie von dieser Verdrängung sprechen.