DIE CDU-BASIS SEHNT SICH NACH FÜHRUNG UND ECHTEN DEBATTEN : Keine Lust mehr auf Spielchen
Wenn Platzhirsche von denen gedemütigt werden, die als Stimmvieh vorgesehen waren, dann ist das meist kein Aufflammen von Basisdemokratie, sondern Ausdruck tiefer Sehnsucht nach einer autoritären Führung, nach einem Ende von Flügelkämpfen und inhaltlichen Auseinandersetzungen. Das war beim CDU-Parteitag in Dresden nicht anders. Aber es kam noch etwas hinzu, und das ist durchaus Anlass zur Genugtuung: Die Leute haben einfach keine Lust mehr auf politische Spielchen.
Es ist einerseits bedrückend, wenn offene Kontroversen in einer Partei mit chaotischen Zuständen und schlechtem Benehmen gleichgesetzt werden. Anderseits aber darf nicht jeder Zank den Anspruch erheben, als ernsthafte Sachdebatte geadelt zu werden. In den letzten Wochen hat fast die gesamte CDU-Prominenz nach Herzenslust getrickst, taktiert, geschachert – und immer mit treuherzigem Augenaufschlag versichert, es gehe doch allein um die Sache. Um die gute, versteht sich.
Genau um die ging es nicht. Sondern darum, die Kanzlerin in Zugzwang zu bringen, in den Revieren der SPD zu wildern und – natürlich – um die Imagepflege. Dafür wurden Anträge öffentlich unterstützt und in Hintergrundgesprächen gegeißelt, dafür wurde Angela Merkel öffentlich gelobt und in Hintergrundgesprächen verspottet, dafür wurde über neue Koalitionen und mögliche Kronprinzen spekuliert. Was vergessen wurde: Auch einfache Delegierte lesen gelegentlich Zeitung.
Sie haben die Konsequenzen gezogen und Angela Merkel gestärkt. Nicht weil alle sie nun heiß lieben und die Regierungspolitik ganz fabelhaft finden. Das eindeutige Votum des Parteitages ist vor allem als Signal zu verstehen: Die Rivalen sollen endlich akzeptieren, dass sie Kanzlerin ist, und aufhören, intern ständig die Machtfrage zu stellen. Das ist vernünftig. Wenn eine Partei mit der Vorsitzenden oder die Bevölkerung mit der Regierungschefin unzufrieden ist, dann kann – und soll – sie abgewählt werden. Aber bis dahin soll sie regieren dürfen. Und es ist nie eine gute Idee, die eigene Basis für dumm verkaufen zu wollen. Das hat der Parteitag eindrucksvoll bewiesen. BETTINA GAUS