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Archiv-Artikel

DIE BUNDESREPUBLIK HAT DEN ERFOLG VON MÜLLER-MILCH ERMÖGLICHT Milchverdrossenheit

Wenn einer vor der Steuer flieht, dann hat er immer „gute Gründe“. In der Regel fühlt er sich ungerecht behandelt, im Extremfall bedroht der Fiskus gleich sein Lebenswerk. So ist es auch im Fall Theo Müller: Die hohe Erbschaftsteuer, die im Fall seines Ablebens auf seine 501 Millionen Euro Eigenkapital fällig würde, gefährde sein Unternehmen, sagt er und lässt die Umzugskisten packen. Im November geht’s in die Schweiz.

Dabei ist schwer verständlich, warum ein so umtriebiger Unternehmer wie Müller, der aus der väterlichen Dorfmolkerei eine europaweit agierende Holding formte, keine Konstruktion findet, die den Fortbestand seiner Firma sichert. Schließlich kennt das deutsche Erbschaftsrecht für normales Betriebsvermögen Abschlags- und Stundungsregeln, die das ermöglichen.

Müller erklärt, er habe mit der Politik lange verhandelt, um eine Lösung zu finden. „Alle Gesprächsteilnehmer“ hätten ihm zugestimmt, aber es seien „keine Initiativen erkennbar, die dieses Thema ernsthaft aufgreifen“. Da ist es wieder, das Motiv der unfähigen Politiker, das seit Monaten aus Müllers TV-Spots in unsere Stuben rieselt. Nur mag man es ihm nicht glauben. Müller selbst deutet an, möglicherweise seinen Firmensitz ebenfalls in die Schweiz zu verlegen – das aber hat mit seinem Erbe nichts mehr zu tun. Zudem würden vermutlich viel weniger Steuern als die von ihm genannten 200 Millionen fällig. Und obwohl der Unternehmer etwas anderes behauptet: Jedes Finanzamt lässt sich auf Ratenzahlung ein.

Nimmt man dazu, dass Müller zu seiner Lebensgefährtin zieht, die längst in der Schweiz beheimatet ist, kann einem angesichts so viel demonstrativer Verdrossenheit über die Politik die blanke Milchverdrossenheit packen. Denn selbst wenn es für Müller schwierig würde, eines ist doch klar: Dieses Land, seine Kunden, seine Ausbildung, seine Infrastruktur und seine Gesetze haben Müllers Aufstieg ermöglicht. Und wo es nun darum geht, seinen gerechten Anteil fürs Gemeinwesen beizutragen, macht er sich davon und stilisiert sich auch noch als Opfer. Wie heißt es in Müllers Werbespot so treffend: „Jetzt brauch ich endlich mal was Ehrliches.“ MATTHIAS URBACH