DIE BENZINSTEUERN STEIGEN. ABER SIE SIND NOCH IMMER VIEL ZU NIEDRIG : Für die Rente rasen, nicht für die Konzerne
Noch ist keine neue „Benzinwut“ ausgebrochen – aber interessierte Autolobbyisten arbeiten daran. Heftig beklagen sie, dass die Spritpreise ab Neujahr um 4 bis 7 Cent pro Liter zulegen dürften, weil die Mehrwertsteuer steigt und der beigemischte Biosprit voll steuerpflichtig wird. Dieser gierige Staat! Schon wieder schröpft er die armen, wehrlosen Autofahrer.
Autofahrer sind aber keine Opfer – sie sind Umweltsünder. Ein großer Teil der klimaschädlichen Gase stammt aus ihrem Auspuff, darauf hat der Präsident des Umweltbundesamtes jetzt wieder hingewiesen. Und allein der Feinstaub tötet in Deutschland jährlich rund 70.000 Menschen, wie die EU-Kommission geschätzt hat. Autofahrer kommen also sehr billig weg, wenn bisher nur Zweidrittel der Spritpreise als Steuern an den Staat fließen.
Autofahrer sehen das naturgemäß meist anders: Sie sind geneigt, ihre Steuerlast als eine Art Strafe zu betrachten oder als eine altruistische Zwangsspende an die Gemeinschaft. Als gute Betriebswirte ihres eigenen Hausstands glauben sie, sie würden viel Geld sparen, wenn der Staat seine Spritsteuern senkte. Tatsächlich jedoch profitieren die Autofahrer langfristig sogar von hohen Steuern, so paradox das auch klingen mag.
Um ein wenig auszuholen: Bekanntlich sind die Ölvorräte begrenzt. Gerade an dieser Knappheit aber verdienen die Ölkonzerne bestens. So hat etwa Shell allein im dritten Quartal den unvorstellbaren Gewinn von 7 Milliarden Dollar eingefahren. Die Kunden müssen ihre Nachfrage drosseln, wenn sie diese gigantischen Profite nicht mehr zahlen wollen. Doch diese Vernunft bringen Autofahrer nur auf, wenn es an der Zapfsäule teuer ist. Würde der Staat jetzt auf seine Steuern verzichten – es würden nur noch mehr Geländewagen durch die Straßen brausen. Die Ölkonzerne könnten sich freuen: Was der Staat an Steuern verliert, würde umgehend ihre Gewinne erhöhen.
Wer Auto fährt, hat keine Wahl: Von seiner Sucht profitiert entweder die Ölindustrie – oder aber der Staat, der mit der Ökosteuer einen Teil der Alterssicherung finanziert. Da ist „Rasen für die Rente“ doch deutlich schlauer. ULRIKE HERRMANN