DIE ÄRZTE MÜSSEN IHRE ABLEHNUNG DER STERBEHILFE BESSER ERKLÄREN : Schwierige Entscheidung
Kaum jemand im öffentlichen Raum verlangt, die aktive Sterbehilfe zu legalisieren. Das Töten auf Verlangen gilt in Deutschland – anders als etwa in den Niederlanden – als ethisch nicht vertretbar. Auch die Kommission von Justizministerin Zypries, die gestern ihre Ergebnisse vorstellte, befasste sich nicht mit der aktiven, sondern mit der passiven Sterbehilfe, dem „Apparate-Abschalten“, und der indirekten Sterbehilfe, der Betäubung bis zum Tode. Beide Arten, Menschen beim Sterben zu helfen, sind erlaubt. Ob sie aber auch ihren Platz im Gesetz finden werden, wird davon abhängen, wie groß in der Öffentlichkeit die Gefahr des Missbrauchs eingeschätzt wird.
Die Kommission empfiehlt, der passiven und indirekten Sterbehilfe auch Raum im Strafgesetzbuch zu geben, um der aktiven Sterbehilfe umso wirksamere Argumente entgegenhalten zu können. Die Logik dahinter lautet: Seht, welche Möglichkeiten des Sterbens in Würde es gibt – verlangt also nicht das Unethische. Die organisierte Ärzteschaft jedoch ist gegen ein neues Gesetz. Die Bundesärztekammer sagt: So hat es in den Niederlanden auch angefangen. Erst die indirekte, dann die aktive Sterbehilfe. Und mittlerweile fürchten viele Menschen in den Niederlanden, dass sie getötet werden, wenn sie ihren Wunsch, am Leben erhalten zu werden, nicht mehr ausdrücklich artikulieren können.
Hinter diesem Erosionsszenario verbergen sich die konkreten Erfahrungen von Ärzten, die manchmal gedrängt werden, ein Leben zu beenden, obwohl die Medizin noch längst nicht am Ende ist – auch nicht die schmerzlindernde, die Palliativmedizin. Gegenüber solchem Drängen wollen sich die Ärzte ihren Entscheidungsspielraum erhalten. Doch viele Menschen haben Angst davor, an Apparaten hängend einem endlosen Ende entgegenzudämmern. Es ist Sache der Ärzte, ihnen zu erklären, dass das nicht sein muss, dass Ärzte nicht dazu da sind, Leid zu verlängern, und dass der Glaube an die Intensivmedizin auch in der Ärzteschaft nicht mehr so ungebrochen vorherrscht wie noch vor zwanzig Jahren. Allein die Forderung nach einem absoluten Tötungsverbot hochzuhalten, reicht jetzt nicht mehr. ULRIKE WINKELMANN