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DIE AUFGEREGTEN AUFRUFE DER FRIEDENSBEWEGUNG SIND ABSCHRECKENDTrotz alledem: Ostermärsche!

Es gibt es so viele Anlässe zum Protest wie schon seit Jahren nicht. Dementsprechend scharf und aufgeregt rufen die Organisationen der Friedensbewegung zu den Ostermärschen auf – und ahnen doch, dass trotz des Afghanistankrieges nicht allzu viele Menschen kommen werden, um in Berlin oder München, Leipzig oder Hamburg zu demonstrieren.

Die Aufrufe der Friedensbewegung lesen sich in Teilen wie eine Variante von George W. Bushs unsinniger „Achse des Bösen“ – in diesem Fall: USA, Nato, Bundeswehr und Kapital. Wenn man den Aufrufen glaubt, haben erst die USA Afghanistan zerstört und nicht 23 Jahre Krieg, ist die erfreulicherweise unterfinanzierte Bundeswehr auf dem Sprung zur militärischen Imperialmacht und der 11. September ein willkommener, womöglich hausgemachter Vorwand für die US-Kriegstreiber zum Ausbau der weltweiten Hegemonie.

Schon in der Anti-Pershing-Bewegung Anfang der 80er-Jahre, als noch Hunderttausende protestierten, hatten wir, die Linke, Schwierigkeiten, mit der Vielschichtigkeit von Politik umzugehen: Galten uns die US-Unterstützung für Lateinamerikas Militärdiktaturen und der Contra-Krieg in Nicaragua als Beweis für die Aggressivität der westlichen Weltmacht, fanden wir kaum Worte für den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan oder das andauernde Unrecht der Diktaturen Osteuropas. Um klare Positionen dazu drückten wir uns mit dem an sich ja richtigen Argument, wir müssten zuerst vor der eigenen Haustür kehren.

Auch der 11. September hat die Friedensbewegung zunächst verstummen lassen. So wenig, wie die US-Gesellschaft damit zurechtkam, dass sie erstmals auf eigenem Boden attackiert worden war, konnte die Friedensbewegung damit umgehen, dass US-Amerikaner, einfache Bürger zumal, plötzlich Opfer waren. Erst als die Regierung Bush damit begann, den Afghanistankrieg vorzubereiten, fand die Bewegung ihre Sprache wieder.

Muss man angesichts der simplen Aufrufe also zu Hause bleiben statt zu demonstrieren? Nein. Denn es stimmt ja, dass in Washington derzeit eine Regierung amtiert, die sich globaler Rechtsstaatlichkeit verweigert und ihren Führungsanspruch militärisch durchsetzt. Und es ist zu wichtig, die europäischen Regierungen dazu aufzufordern, die Politik zu zivilisieren und Alternativen aufzuzeigen. Dazu braucht es eine Friedensbewegung. Und um deren Gesicht mitzuprägen, muss es dann wohl auch mal sein, etwas verloren zwischen PDS- und Linksruck-Block einfach mitzugehen.

BERND PICKERT

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