DIE ARROGANZ DER ATOMINDUSTRIE STÜTZT IHRE KRITIKER IN DER SPD : Brunsbüttel, das Gammel-AKW
Im aktuellen Streit um das Atomkraftwerk Brunsbüttel stellt sich die Frage nach den möglichen und nötigen Konsequenzen, vor allem aber nach den wahrscheinlichen. Eigentlich handelt es sich um einen ziemlichen Skandal: In Schweden verursacht ein Kurzschluss Chaos in einem AKW, die Betreiber dementieren, dass es in einem deutschen AKW einen ähnlichen Aufbau der betroffenen Notstromversorgung gibt und müssen dies dann für Brunsbüttel zurücknehmen. Außerdem lässt der Brunsbüttel-Betreiber Vattenfall die Fristen des zuständigen Bundesministers Sigmar Gabriel (SPD) verstreichen, in denen Vattenfall den Sicherheitsnachweis für sein AKW erbringen sollte.
Hier wird die Grundvoraussetzung für den Betrieb eines Atomkraftwerks verletzt, nämlich dass der Betreiber die Aufsichtsbehörden schnell und korrekt unterrichtet. Wie kann die Politik überhaupt vorgehen gegen renitente Branchen wie die Energieerzeuger? Die mit ihren technischen Kontrolleuren wie denen vom TÜV die gleichen wirtschaftlichen Interessen teilen und mit Versprechungen aller Art vor allem Zeit gewinnen wollen? Jedenfalls nicht mit Selbstkontrollen. Dazu funktionieren solche Absprachen zwischen Politik und Industrie zu schlecht. Hier müssen klare Gesetze her, deren Einhaltung der Kontrolle unterliegt.
Doch was in der Theorie eine Selbstverständlichkeit ist, findet in der Praxis oft nicht statt. Hier hätte die Politik alle Möglichkeiten, ihren Job ernst zu nehmen. Warum aber Minister Gabriel sich aktuell so vorführen lässt, ist mit seinen von allen Beobachtern konstatierten Ambitionen auf Höheres zu erklären: Wer in der SPD an die Spitze will, darf es sich traditionell nicht mit der Energiebranche zu sehr verderben. Da muss es bei großen Worten bleiben, aber nicht zu schmerzhaften Taten kommen. Im Fall des Gammel-AKWs Brunsbüttel werden wir noch allerhand Fingerübungen über uns ergehen lassen müssen. Am Ende bleibt als Gutes, dass die Atomlobby mit ihrem Versuch, die Laufzeiten der deutschen AKWs zu verlängern, einen Rückschlag erlitten hat. An dieser Front ist den Atomkritikern in der bisher unzuverlässigen SPD bis auf Weiteres der Rücken gestärkt. Wohl bis zum Ende der Legislaturperiode. REINER METZGER