DIE ARROGANTE TOUR : Mit halbem Ohr
Da ist man nun näher an den 40 als an den 20, und trotzdem lernt man nicht aus. Das wäre ja auch fatal. In meinem Fall ist es mal wieder die Erkenntnis, dass mit einem halben Ohr zuzuhören meist nicht genug ist. Das ist in etwa so, wie in einem viel zu lauten Club zu sitzen und schon seit fünf Minuten nicht mehr zu verstehen, was einem da gerade erzählt wird. Es ist zu spät, um den Gesprächspartner darauf hinzuweisen, dass man schon lange keine Ahnung mehr hat, was er da von sich gibt, und wahrscheinlich noch zu früh, um das Ganze mit einem lässigen „Ja, ja, so ist das eben“ zu beenden.
Aber diesmal waren es nicht die Umstände, auf die ich hätte verweisen können, um mich herauszureden. Ich bin wirklich selbst schuld, immerhin befanden wir uns nicht in einem Club, sondern in einer S-Bahn. Auf die legere Nachfrage nach dem werten Befinden hatte sie nämlich geantwortet: „Ach, nicht so gut. Ich hatte in letzter Zeit ein paar familiäre Probleme. Aber ich will dich nicht mit den Einzelheiten langweilen …“ Das wusste ich zu schätzen und antwortete mit einem wohlwollenden „Danke“. Einerseits, weil ich mit meinen Gedanken ganz woanders war und mein Gehirn quasi auf Standby geschaltet hatte. Das beschwor Unmut herauf, dabei war ich andererseits doch nur ehrlich. Ich wollte wirklich nichts über ihre Familienprobleme wissen. Sie erklärte mir daraufhin, dass diese arrogante Tour gar nicht gut ankomme und ich mir das gefälligst abgewöhnen solle. Ich werde es versuchen, sagte ich.
Kurz darauf stiegen wir aus der Bahn und ein Dreikäsehoch preschte uns entgegen, alle Regeln missachtend. Die Mutter riss ihn am Arm zurück und blickte drohend hinunter: „Wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen, dass man erst aussteigen lässt und dann einsteigt?“, keifte sie über den Bahnsteig. „Na, tausendmal“, sprach der Kleine und watschelte in die S-Bahn. Ausgelernt, definitiv. JURI STERNBURG