DIE AGRARLOBBY LEGT SICH MIT IHRER BILLIGDEVISE SELBST EIN EI INS NEST : Erst kommt der Geiz, dann die Konkurrenz
Es wird eng fürs deutsche Huhn. Die Freunde der Geflügelindustrie im Bundesrat haben sich den Wohnraum von Millionen deutschen Legehennen schöngerechnet. Jedes Tier hat auch in Zukunft nicht mehr als gut ein DIN-A 4-Blatt Platz. Sich recken, strecken, im Sand baden – ach was, du Huhn, das ist alles Luxus. Hauptsache, die Stallknäste bleiben günstig und die Eier billig. Allein: Mit dieser Strategie tun sich auch die deutschen Hühnerbarone keinen Gefallen.
Die Kunden wollen Frühstückseier von glücklichen Hühnern. Allein im letzten Jahr ist der Absatz von Bioeiern um gut 40 Prozent gestiegen. An dem Trend ändert auch die Vogelgrippe nichts. Die konventionelle Agrarlobby preist in diesen Tagen zwar den Käfig als sichere Alternative zum Freiland. Sie kommt damit aber nicht an. Edeka zum Beispiel hat in den letzten Tagen erst recht viele Bio-Eier verkauft. Die Agrarindustrie müsste nur ein paar psychologische Kenntnisse bemühen, um das Konsumverhalten zu verstehen: Der Verbraucher vertraut der industriellen Hühnerhaltung nicht.
Doch die Eierfabrikanten kümmern sich nicht um die Wünsche der Menschen vor der Ladentheke. Sie wissen: Der Deutsche sieht gut die Hälfte aller Eier, die er verspeist, ohnehin nicht. Sie verschwinden in Nudeln und Kuchen, die die Nahrungsmittelindustrie appetitlich anrichtet. Eine Kennzeichnung ist überfällig. Auf jeder Verpackung werden die Zutaten gelistet. Es spricht nichts dagegen, dort auch auf die Herkunft des Eis hinzuweisen – außer der Macht der Agrarlobby. Sie wird starrsinnig gegen ein Label kämpfen, weil die deutschen Eiererzeuger nicht umsteigen wollen.
Überlebensfähig wird die Branche so aber nicht. Denn Lebensmittelriesen wie McDonald’s und Aldi Nord haben das Käfig-Ei bereits aus dem Angebot verbannt. Im Land der Käfig-Halter mangelt es schon jetzt an Freilandeiern. Sie werden importiert. Erst kommt der Geiz, dann die Konkurrenz – und die deutsche Agrarlobby legt sich mit der Billigdevise selbst ein Ei ins Nest. Wer dem deutschen Huhn den Platz gibt, den es braucht, den erwartet eine bequemere Zukunft. HANNA GERSMANN