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■ DFB-PokalDie zweite Reihe

Berlin (taz) – Vier der besten fünf Torschützinnen der Fußball- Nationalfrauschaft tragen das Trikot des TSV Siegen, nur Heidi Mohr beult die Netze bei einem anderen Verein. 75 Treffer haben Silvia Neid, Doris Fitschen, Martina Voss und Britta Unsleber für das deutsche Team erzielt, aber wenn es alljährlich nach Berlin geht, zum Pokalfinale, scheint es manchmal, als wüßte das Starensemble nicht einmal mehr, wo eigentlich das Tor steht, und vor allem Rekord-Nationalspielerin Silvia Neid pflegt unterzutauchen. 1991 verlor Siegen, damals sensationell, gegen Grün-Weiß Brauweiler, im letzten Jahr reichte es, mit Glück, zu einem Sieg nach Elfmeterschießen, wieder gegen die Brauweilerinnen, diesmal war es auch mit dem Dusel vorbei. Brauweiler holte sich durch ein verdientes 2:1 zum zweitenmal den Cup.

„Sehr, sehr nervös“ seien einige seiner Akteurinnen gewesen, gab Siegens Trainer Gerd Neuser zu, „ziemlich locker“ hingegen, so Coach Friedhelm Fröhlich, die Rheinländerinnen. Doch auch sie hatten Probleme, ins Spiel zu kommen. Entsprechend unansehnlich die erste Halbzeit, mit vereinzelten gefährlichen Aktionen auf beiden Seiten.

Die Entscheidung fiel kurz nach der Pause „Schießt doch mal aus der zweiten Reihe“, hatte Fröhlich sein Team an eine bis dahin wenig erprobte Variante des Fußballspiels erinnert. Anja Klein tat in der 50. Minute wie geheißen, und der Ball wurde, unhaltbar für Torfrau Silke Rottenberg, abgefälscht. Dann kam die große Zeit von Bettina Wiegmann, „der derzeit besten deutschen Spielerin“ (Fröhlich), die bis dahin relativ unauffällig gespielt hatte. Erst schloß die 22jährige nur eine Minute nach dem Führungstreffer einen rasanten Sololauf mit einem plazierten 16-Meter-Schuß zum 2:0 ab, dann nutzte sie dynamisch die Räume, die die Siegener Offensive freiließ, hielt geschickt den Ball und heimste Szenenapplaus des zunehmenden Publikums für diverse technische Kapriziosen ein.

Begünstigt wurde ihr Treiben durch den frühen Ausfall der laufstarken Heike Czyganowski, die Wiegmann abschirmen sollte, aber schon in der 25. Minute mit einer Knieverletzung vom Feld mußte. Dennoch gab Siegen so schnell nicht auf. Als die Brauweilerinnen langsam müde wurden, trieben vor allem Doris Fitschen und Martina Voss ihr Team mit Macht nach vorn. Nach Fitschens Kopfballtor (67.), just zu der Zeit, als bierbräsige Essener höchst ungalant und immer lauthalser ihren Verein zu feiern begannen, wurde es noch einmal hochdramatisch. Doch Torfrau Manuela Goller und in der letzten Minute die US-Amerikanerin Megan Hanushek standen dem Siegener Ausgleich im Wege, und der, wie auch TSV-Coach Neuser zugeben mußte, „insgesamt verdiente“ Erfolg der Grün- Weißinnen war schließlich perfekt. „Rote Lippen soll man küssen“, schallte es stilsicher aus dem Stadionlautsprecher, während sich die Brauweiler Spielerinnen glücklich um den Hals fielen. Dem TSV Siegen bleibt die Hoffnung auf die Meisterschaft. Einen Titel haben sie schließlich bislang immer gewonnen.Matti

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