DER VEREITELTE ANSCHLAG AUF ALLAWI ZEUGT VON DILETTANTISMUS : Ohne Sprengstoff keine Bombe
Noch nie war der islamistische Terror in Deutschland so bedrohlich nahe wie heute. Das scheint die Lehre aus dem geplanten Berliner Anschlag auf Iraks Präsident Allawi zu sein. Doch wie gefährlich waren die Planungen wirklich? Bis jetzt deutet viel darauf hin, dass zwei bis drei Islamisten relativ spontan und dilettantisch überlegt haben, wie sie Allawi irgendwie beikommen können.
Erfolg hätten sie vermutlich keinen gehabt. Der Staatsbesuch war auch ohne Terror-Warnung gut gesichert. Es wäre wohl niemand mit einem Molotowcocktail – einer mit Benzin und Phosphor gefüllten Flasche – in Wurfweite an den Staatsgast herangekommen. Und bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die Täter über Waffen oder Sprengstoff verfügten. Eine Autobombe nach Bagdader Muster ist daher wohl auszuschließen.
Nun sagen manche, das sei das typische Dilemma der Sicherheitsbehörden. Greifen sie zu früh zu, dann fehlen am Ende die gerichtsverwertbaren Beweise. Dieses Argument mag auf Fälle wie den Tunesier Ishan G. zutreffen, gegen den zurzeit in Berlin wegen Gründung einer Al-Qaida-Zelle verhandelt wird. Bei den drei festgenommenen Ansar-al-Islam-Irakern ist der Hinweis aber absurd. Der Zugriff erfolgte in der Nacht zu Freitag, als der Staatsbesuch Allawis bereits begonnen hatte. Wer jetzt noch keinen Sprengstoff hat, baut auch keine Bombe mehr.
Waren die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden also übertrieben? Nein, die sofortigen Festnahmen waren berechtigt, nicht nur um den heiklen Staatsbesuch zu sichern, sondern auch zum Schutz der Bevölkerung. Vielleicht hätten die Islamisten in der Erkenntnis, dass das „harte“ Ziel Allawi unerreichbar ist, aus lauter Frust einfach irgendein „weiches“ Ziel angegriffen. Die wahllosen Anschläge auf Diskotheken, Gotteshäuser und Vorortzüge sind schließlich geradezu ein Kennzeichen des aktuellen islamistischen Terrors. Außerdem: Die offensichtlich gute Zusammenarbeit der Landespolizeien untereinander und auch mit dem BKA spricht gegen Otto Schilys Wünsche, etwas an der Sicherheitsarchitektur zu ändern. CHRISTIAN RATH