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Archiv-Artikel

DER SPIELRAUM FÜR MENSCHENRECHTSPOLITIK WIRD IMMER ENGER Keine weise Entscheidung

Wirtschaftliche Interessen, taktische Rücksichten, Angst vor Gesichtsverlust – natürlich haben all diese Faktoren immer schon eine Rolle gespielt bei den Sitzungen der 1945 etablierten UNO-Menschenrechtskommission. Einer Kommission, deren Mitglieder ja die VertreterInnen von Regierungen sind und nicht etwa unabhängige Menschenrechtsexperten. Doch nie zuvor war die Glaubwürdigkeit dieser Institution so sehr in Frage gestellt wie bei ihrer gestern zu Ende gegangenen Jahrestagung – der dritten seit dem 11. September 2001.

Der seitdem von den USA ausgerufene und von vielen anderen Staaten mitgeführte „Krieg gegen den Terrorismus“ hat die Spielräume einer an menschenrechtlichen Prinzipien orientierten Politik immer weiter eingeschränkt. Entweder wurden diese Prinzipien ganz offen für zweitrangig erklärt, ganz aufgegeben oder aber nur noch selektiv angewendet – vor allem von westlichen Demokratien. Was ihre Glaubwürdigkeit im „Rest“ der Welt noch stärker beschädigt. Ein Beispiel hierfür ist die Zurückhaltung, mit der die EU und das Kommissionsmitglied Deutschland mit dem Thema „Guantánamo“ umgegangen sind.

Dabei gelten die USA – trotz aller berechtigten Zweifel – weltweit weiterhin als Vormacht des demokratischen Westens. An ihr Verhalten richten sich daher weit höhere Ansprüche als etwa an Russland. Verstöße der USA unterminieren daher die Überzeugungskraft menschenrechtlicher Prinzipen im öffentlichen Bewusstsein erheblich. Daher war der Rückzug des kubanischen Resolutionsantrages zu Guantánamo – zustande gekommen unter massivem Drängen Deutschlands – keineswegs eine „weise Entscheidung“ Havannas, wie die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, verkündete. Weise im Sinne der Stärkung menschenrechtlicher Prinzipien wäre es gewesen, wenn Deutschland und seine EU-Partner gleich zu Beginn der Kommissionstagung vor sechs Wochen einen eigenen Resolutionsantrag zu Guantánamo vorgelegt und dafür unter den anderen Mitgliedern der Kommission um aktive Unterstützung geworben hätten. ANDREAS ZUMACH