■ DER ROTE FADEN: Die Rede der Hure von Nevada
Die Newsgroup alt.fuck.the.communications.decency.act ist nur wenige Tage alt. Sie wächst stündlich weiter. Ein langer Brief kam von „Bashful“. Im Kopf steht: „Komm rüber, aber geil wie die Hölle“.
– Ich sehe eine Menge von Dingen im Cyberspace, die mich beleidigen. Von einigen wenigen denke ich, daß sie gefährlich sind. Aber ich will mein Leben dafür einsetzen, daß die Freiheit der Rede auch für diejenigen gilt, die sie hervorgebracht haben. Wie ist das mit euch? Glaubt ihr, daß die Redefreiheit bedeutet, die Meinungen zu schützen, die euch fertigmachen? Oder glaubt ihr, daß solche Reden illegal sein sollten?
Ich habe eine Seite im World Wide Web für Prostitution in Nevada – in einigen Landkreisen ist das legal, wenn auch nicht in den Städten Las Vegas, Reno oder Carson City. Kann sein, daß ihr meint, die Prostitution sollte in allen Kreisen von Nevada verboten sein. Ich glaube, daß ihr das Recht habt, diese Meinung zu äußern, im Cyberspace und überall sonst. Ich würde euch nicht zustimmen, aber ihr könnt auf mich zählen, daß ich euer Recht verteidige. Jeder hat ein Recht auf seine Meinung, und das Recht, seine Meinung zu sagen, und das Recht, seine Meinung im Cyberspace zu sagen.
Es gibt, trotzdem, Grenzen, und ich stimme ihnen zu. Der Ruf „Feuer“ in einem überfüllten Theater ist ein Versuch, anderen Leuten körperlichen Schaden zuzufügen. Gesetze gegen Kinderpornographie gibt es schon, aber ich habe von Gerichten gehört, die sie auf Fälle anwenden, die mit Kinderpornographie nicht wirklich etwas zu tun haben. Und es ist notwendig, Mißbrauch zu verbieten, wenn im Krieg über Truppenbewegungen berichtet wird oder über andere Belange der nationalen Sicherheit. Aber nicht jeder, der die Redefreiheit aus diesen Gründen einschränkt, tut das zu Recht.
Neulich habe ich darüber nachgedacht, wie ich mich vor dem Anständigkeitsgesetz schützen kann. Ich habe an einen Hypertext mit der Botschaft gedacht, daß hier niemand unter 18 eintreten darf. Aber das hilft nichts. Ich weiß ganz einfach nicht, wie ich Minderjährige davon abhalten kann, meine Webseiten zu besuchen. Die einzigen, die etwas tun könnten, wären die Eltern, und wenn die zu faul dazu sind, dann gibt es offenbar Programme, die den Computer sperren.
Nun haben der Präsident und der Kongreß alles noch schlimmer gemacht. Ihr Gesetz schützt die Kinder kein bißchen, es diskriminiert nur jeden legitimen Versuch, den Zugang zu den Dingen zu regeln, die nur Erwachsene sehen sollten. Mitglieder des Kongresses und vielleicht der Präsident selbst mögen das Gesetz nicht. Aber sie wollen in den Wahlen sagen, daß sie gegen Pornographie sind. Insgeheim hoffen sie, daß es das Bundesgericht wieder zu Fall bringt. Wie lange sollen wir diese Heuchelei noch hinnehmen? Ich tue es nicht mehr. Und manchmal wundere ich mich über die Wahlmänner, die meine Kunden sind. Laß dich mal blicken, bashful@paranoia.com
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