DER RECHTE RANDWIE DIE RECHTE SZENE DIE STIMMUNG MIT WORTEN BEEINFLUSST : Kampf mit Begrifflichkeiten
Die Aufkleber und T-Shirts mit dem Slogan „Todesstrafe für Kinderschänder“ gibt es nur in Szeneläden und übers Netz. Aber das Wort Kinderschänder hat längst Einzug in die Alltagssprache gefunden. Nach Vorfällen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wurde der Begriff Kinderschänder auch von vielen Medien unhinterfragt aufgegriffen.
Zwar haben weder NPD noch die Kameradschaften das Wort Kinderschänder erfunden – sie haben es aber populär gemacht. Und es ist nicht ihr einziger Versuch, Stimmung durch Worte zu beeinflussen.
Schon Mitte der 1980er-Jahre schrieb der Vordenker der „Neuen Rechten“, Alain de Benoist, eine „politische Revolution“ könne nur gelingen, wenn zuerst „Einfluss auf die Denk- und Verhaltensweisen innerhalb der zivilen Gesellschaft“ gewonnen würde. Begriffe müssten neu gedeutet, Wort neu eingeführt werden. Dass diese Idee auf den marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci zurückgeht, verschweigt Benoist nicht.
Das Wort Kinderschänder suggeriere, dass Schande über das Opfer gekommen sei, sagt Clemens Fobian, Mitarbeiter bei basis-praevent, Fachberatungsstelle für Jungen, die sexuelle Gewalt erlebt haben. Allein der Begriff Kinderschänder offenbare, dass es nicht um Kinderschutz gehe, sondern um moralische Kategorien. Die rechte Szene gehe von „biologischen Gemeinschaftsvorstellungen“ aus und „eben dieser rassistisch definierte Volkskörper“ müsse geschützt werden, sagt Fobian.
Zuletzt versuchte die Szene in Niedersachen nach dem Tod von Daniel S., ein solches biologisches „die“ und „wir“ zu konstruieren. Kaum war der Täter bekannt, lancierten sie das Wort „Inländerfeindlichkeit“. Ein Begriff, den sie bewusst gegen die Ausländerfeindlichkeit in Stellung bringen wollen. Das Ziel ist klar: Ist das Wort Inländerfeindlichkeit erst etabliert, kann man auch davor warnen.
Hinweis: ANDREAS SPEIT arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland