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Archiv-Artikel

DER KLIMAWANDEL IST EINE BEDROHUNG AUCH FÜR DIE LÄNDER IM NORDEN Gar nicht schön warm hier

Immer öfter trifft man in diesem Lande eine Haltung an, die zur Mehrheitsfähigkeit anzuwachsen scheint: So schlecht ist die Erderwärmung doch gar nicht. Gerade nach dem letzten warmen Winter war oft zu hören: Nie waren Heizkosten so gering, nie die Schneematschdepressionen so klein wie diesmal. Zweite Begründung: Im April schon leicht bekleidet im Biergarten zu sitzen – was soll daran schon schlimm sein? Und gegen schon eingewanderte Schmetterlingsarten aus Griechenland kann doch auch niemand etwas haben.

Doch diese Haltung ist dumm und ignorant: Erstens wird mal wieder Wetter mit Klima verwechselt. Folge der Erderwärmung wird nicht sein, dass Biergartensitzen im April demnächst garantiert ist, sondern dass sich die Wetterextreme häufen. So positiv sich dieser April für viele Städter anfühlte – extremes Wetter kann auch sintflutartiger Regen sein. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen hat in seinem Gutachten „Sicherheitsrisiko Klimawandel“ formuliert: Die Erderwärmung wird zur zentralen Konfliktlinie internationaler Politik.

Es ist nachvollziehbar, dass sich 95 Prozent der Deutschen nicht körperlich vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht fühlen. Oder vielen die rasante Ausbreitung von Wüsten nicht besonders nahe geht. Der Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration trifft zuerst die armen Menschen vor allem in Afrika, die sich vor den Folgen nur selten schützen können. Gerade deshalb müssen wir dies als das Bedrohungsszenario begreifen, was es ist: Verändern sich die Lebensbedingungen im Süden so, dass Leben nur noch schwer möglich wird, dann machen sich die Menschen von dort auf den Weg zu uns – einen gefahrvollen Weg, der sie in schlecht bezahlte Jobs, soziale Ausgrenzung und fehlende Gesundheitsversorgung führt.

Das klingt nach Panikmache? Natürlich! Genauso panisch macht aber die neue Haltung zum Klimawandel: Wer bereit ist, sich auf die Erderwärmung einzurichten, der hat den Kampf gegen sie schon aufgegeben. Wer die Erkenntnisse der Wissenschaft als „Klima-Hysterie“ abtut, will nur seine Ruhe haben. Wer heute nicht bereit ist zu handeln, begründet den Horror von morgen. NICK REIMER