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Archiv-Artikel

DER GEFORDERTE PFLEGE-TÜV IST NOTWENDIG, ABER NICHT AUSREICHEND Kontrolle ist gut, Interesse ist besser

Über Pflegeskandale können sich die Gepflegten auch freuen. Denn sie stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und haben womöglich sogar Verbesserungen zu erwarten. Die SPD regt an, dass ambulante und stationäre Pflegedienste jährlich getestet werden sollten. Die Forderung nach stärkerer Kontrolle ist überfällig. Doch Kontrolle kann kein Allheilmittel sein.

Zwar glaubt selbst der Medizinische Dienst der Krankenkassen, der die Heime und Pflegedienste alle fünf Jahre – nach Anmeldung – besucht, dass diese Zeitspannen zu groß sind. Zumal die Ergebnisse der Kontrollbesuche immer noch geheim sind. Doch bei all dem öffentlichen Interesse, das die Heime und Dienste derzeit genießen, darf man nicht übersehen, dass drei Viertel der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt werden, und zwar von ihren Angehörigen.

Die meisten streichen die Geldleistungen der Pflegekassen als Zuschuss zum Haushaltsgeld ein und organisieren die Pflege selbst. Wer aber kontrolliert, ob die Tochter die Mutter oft genug zur Toilette führt? Oder ob der Ehefrau nicht doch mal die Hand ausrutscht, wenn der Mann das Essen wieder bockig ausspuckt. Und wer will das eigentlich wissen? Der Pflegedienst kommt einmal im halben Jahr vorbei und kann dann nur die krassesten Mängel feststellen.

Wenn Mängel systematisch vermieden werden sollen, muss sich im System Pflege etwas ändern. So brauchen die Angehörigen mehr Beratung und Unterstützung. Eine Möglichkeit sind etwa Fallmanager, die helfen den Alltag zu organisieren. Eine Notwendigkeit sind Unternehmen, die flexibel reagieren und dies nicht nur von ihren Angestellten fordern.

Und schließlich muss das Thema Pflege in die Mitte der Gesellschaft geholt werden, nicht nur, wenn gerade wieder Mängel festgestellt werden, sondern im Alltag. Es reicht nicht, wenn die Pflegekontrollbehörde einmal pro Jahr in den Heimen zu Besuch ist. Jeder kann alte Menschen ab und zu besuchen. Viele freuen sich über Gespräche und Abwechslung. ANNA LEHMANN