DER CRASHKURS ZU ZELLFUSION : Gentechnik im Biomarkt
■ Ökohändler verkaufen angeblich auch gentechnisch verändertes Gemüse
Das ZDF-Verbrauchermagazin „Wiso“ hat diese Woche mit der Behauptung überrascht, dass per Gentechnik manipulierte Lebensmittel auch als Bioware angepriesen würden. Ein Labor habe in 17 von 37 untersuchten Biogemüseproben fremdes Erbgut gefunden, das durch das gentechnische Verfahren Zellfusion übertragen worden sei. Chicorée beispielsweise habe Erbsubstanz der Sonnenblume aufgewiesen. Dabei sind gentechnisch veränderte Früchte laut Öko-Verordnung der Europäischen Union im Biolandbau verboten.
Bei der Zellfusion werden Zellen mit den Genen verschiedener Pflanzen etwa mittels Enzymen und Elektrizität miteinander verschmolzen. So kann schneller und billiger als durch herkömmliche Kreuzung zum Beispiel die cytoplasmatisch-männliche Sterilität (CMS) bestimmter Retticharten auf Blumenkohl übertragen werden. CMS verhindert, dass sich eine Pflanze selbst befruchten kann. Das erleichtert die Züchtung von Hybriden – einem Pflanzentyp, der oft mehr und gleichförmigere Früchte liefert.
Das deutsche und europäische Gentechnikrecht stuft Zellfusion allgemein ausdrücklich als Form der Gentechnik ein. Es macht aber eine Ausnahme: Nicht als Gentechnik gelten Zellfusionen, wenn Zellen von Pflanzen verschmolzen werden, die auch über Kreuzung Erbgut austauschen können. Um solche Sorten gehe es im aktuellen Fall, erklärt der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).
„Anders als bei der klassischen Gentechnik wird hier nicht das Genom auseinandergeschnippelt“, sagt der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein. Deshalb hält er Zellfusion aus ethischer Sicht für weniger problematisch und aus gesundheitlicher Sicht für unbedenklich. Dennoch lehnt der BÖLW die Technik ab, weil sie „die Integrität der Zelle“ verletze. Die Organisation fordert, in der EU-Öko-Verordnung Saatgut aus Zellfusion zu verbieten.
Wer keine CMS-Hybride will, sollte Ökolebensmittel kaufen, die nicht nur das amtliche EU-Biosiegel, sondern auch das Zeichen eines deutschen Bioverbandes wie Bioland oder Demeter tragen. Diese Verbände haben CMS-Sorten bereits vor Jahren untersagt. Weil „Wiso“ solche Pflanzen auch mit Demeter-Zeichen gefunden hat, will der Verband dieses Verbot nun intensiver kontrollieren.
Gar keinen Schutz vor CMS-Pflanzen bietet übrigens konventionelles Gemüse: Dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter zufolge ist der meiste Kohl und Chicorée ohne Bio-Siegel ein CMS-Hybrid.
JOST MAURIN