DER ABZUG DER US-TRUPPEN AUS DEUTSCHLAND UND DIE NEUE NATO : Militärbündnis auf dem falschen Weg
Für die betroffenen deutschen Kommunen ist die Nachricht bitter: Der Abzug von US-Truppen bedeutet Einkommenseinbußen für Wirte, Ärztinnen und Mitarbeiter vieler weiterer Branchen. In sicherheitspolitischer Hinsicht mag man über die Stationierung amerikanischer Soldaten geteilter Meinung sein – in ökonomischer Hinsicht nicht. Jeder deutsche Verteidigungsminister kann ein Lied davon singen, wie verzweifelt alle Beteiligten um den Erhalt der Wirtschaftskraft kämpfen, wenn ein Standort der Bundeswehr geschlossen werden soll.
Das weiß man auch in Washington. Herrscht dort nun also Genugtuung? Hatten all diejenigen Recht, die meinten, die US-Regierung werde einen Weg finden, um die rot-grüne Koalition für ihren unbotmäßigen Widerstand gegen den Irakkrieg zu bestrafen? Man muss seinen Blick sehr konzentriert auf den eigenen Bauchnabel richten, um zu glauben, die langfristigen Entscheidungen über die Struktur der US-Truppen im Ausland folgten derlei simplen Überlegungen. Die Wirklichkeit ist – wie so oft – viel einfacher als schlaumeierische Strategiespiele nahe legen. Während des Kalten Krieges war es sinnvoll, eine möglichst starke Militärpräsenz an der Grenze zwischen den Blöcken zu zeigen. Inzwischen ist der Kalte Krieg vorbei. Derzeit scheint ja auch Russland nicht so dringend Truppen auf deutschem Boden stationieren zu wollen. Das war, wir erinnern uns, schon einmal anders. Die neue Nato setzt in stärkerem Maße auf kurzfristige Angriffe und anschließende Stabilisierung einer Region als auf langfristige Verteidigungsfähigkeit. Schon wahr: dieses Konzept ist bereits mehrfach eindrucksvoll gescheitert; nicht einmal das Kosovo lässt sich so befrieden.
Ungeachtet dessen gilt die veränderte Doktrin des Militärbündnisses bislang auch weiterhin als vernünftiges Konzept. Große Organisationen reagieren halt langsam auf neue Erkenntnisse. In der Logik dieses Nato-Konzepts ist die Verlegung von US-Truppen aus Mitteleuropa durchaus folgerichtig. Wirtschaftliche Probleme der Verbündeten spielen in diesem Zusammenhang eine allenfalls untergeordnete Rolle. Daran hätte sich auch nichts geändert, wäre Angela Merkel als moderne Jeanne d’Arc in Bagdad einmarschiert. BETTINA GAUS