DENKMAL BRÖCKELT: Trübe Aussichten an der Riviera
Das Strandbad Müggelsee wird 80 Jahre alt und hat eine Generalüberholung dringend nötig. Ein Konzept dafür gibt es, aber keiner fühlt sich zuständig - oder hat Geld.
Silvio Pannek hat extra Sekt kalt gestellt, "für die Stammgäste". Doch bei zwölf Grad Außentemperatur ist keiner von ihnen gekommen, um dem Strandbad Müggelsee einen Geburtstagsbesuch abzustatten. Pannek lehnt auf der Theke, mit seinem kleinen Imbiss ist er der letzte feste Pächter in dem maroden Freizeitbad. Sein Blick schweift über blätternden Putz und reißende Betonplatten. Unter die Terrasse hat er alte Ketchupeimer gestellt. "Mit dem Wasser, was da tropft, gieße ich die Blumen. Aber die Hälfte landet im Gemäuer. Noch so ein harter Winter und hier geht alles den Bach runter." Einer der neuen Betreiber, der Verein Bürger für Rahnsdorf e. V., will dem Verfall jetzt Einhalt gebieten und dem historischen Strandbad zu altem Glanz verhelfen.
Erbaut von dem Bauhausarchitekten Martin Wagner, wurde das Strandbad am 17. Mai 1930 den Berlinern übergeben. Mit seinen geschwungenen Terrassen und dem breiten Sandstrand verdiente es sich in den folgenden Jahrzehnten den Namen "Riviera des Ostens". 80 Jahre später lässt schon der Eingang wenig Freizeitfreuden aufkommen. Zwei der alten Tore sind zu, der Sand auf den denkmalgeschützten Terrassen ist Betonplatten gewichen, die ihre besten Zeiten schon erlebt haben. Linker Hand verstellt "der Würfel" die Sicht: eine ehemalige Großgastronomie mit dem Schick einer DDR-Turnhalle und eingeschmissenen Scheiben. An den Wänden Graffitti und alte Schilder längst geschlossener Restaurants und Diskotheken. Statt der imposanten Treppe aus den 1930ern weist eine gekachelte Variante mit blauem Metallgeländer den Weg zum Strand. Dort bröckelt die betonierte Uferkante, der Zugang zum Wasser ist abgesperrt.
Die Berliner Bäderbetriebe hatten das Strandbad Müggelsee 2005 wegen Unwirtschaftlichkeit aufgegeben. Eine Schließung wollten die Rahnsdorfer Bürger aber nicht hinnehmen. So hat der Bezirk Treptow-Köpenick das Strandbad 2006 unter seine Fittiche genommen und zunächst dem Bezirkssportbund als Betreiber überlassen. Nach heftigem Streit hatte man sich 2009 entzweit, der Vertrag mit dem Bezirkssportbund wurde nicht verlängert.
Nun sprangen der bereits seit 2006 engagierte Verein Bürger für Rahnsdorf e. V. und an seiner Seite die Agrarbörse Deutschland Ost e. V. als neue Betreiber in die Bresche. Mit viel Engagement sorgen sie bis heute dafür, dass das Strandbad täglich und ganzjährig bis Sonnenuntergang geöffnet hat. 110.000 Besucher habe man letztes Jahr gezählt. "Das Strandbad gehört zum Bezirk und muss erhalten bleiben", sagt Gion Voges, Vorsitzender von "Bürger für Rahnsdorf".
Pünktlich zum 80. Geburtstag hat der Verein deshalb ein neues Nutzungskonzept vorgestellt. Acht Berliner Ingenieurbüros haben es ehrenamtlich erarbeitet. Der Entwurf sieht eine Sanierung der Hauptgebäude vor, die den alten Charme wiederbringt. Aus dem Würfel soll ein Spaßbad werden, die kleinen Läden sollen wiederbelebt werden. Ein ausgeklügeltes energetisches Konzept soll Kosten sparen und die Umwelt schonen. So weit, so schön. Doch die entscheidenden Fragen bleiben bislang ungeklärt: Wer wird Betreiber, wer Eigentümer und woher kommen Investoren für die mindestens 3 Millionen Euro teure Umsetzung des Konzepts?
Offiziell gehört das Gelände den Berliner Forsten und damit dem Land Berlin. Es gibt zwar einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), nach dem das Strandbad in das Eigentum des Bezirks übergehen soll, aber die zuständigen Stadträte scheuen diesen Schritt. "Ich binde mir diese Verantwortung erst ans Bein, wenn die Zukunft des Strandbads gesichert ist", sagt Rainer Hölmer, Bezirksstadtrat für Bauen und Stadtentwicklung (SPD). Für den Bezirk sei schon die jetzige Unterhaltung des Strandbads ein Verlustgeschäft, Geld für die dringend notwendige Sanierung sei einfach nicht da. Auch vom Land Berlin sei nichts zu erwarten. "Der Eigentümer muss aber dem Nutzungskonzept zustimmen, erst dann kann es mit Auschreibungen und Aufträgen weitergehen", sagt Gion Voges. Sein Verein hofft jetzt, dass zumindest das Geld für eine Studie aufgetrieben und damit das Nutzungskonzept weiter vorangetrieben werden kann. Einen potenziellen Investor für das Freizeitbad im "Würfel" habe man an der Hand.
Pannek von der Imbissbude winkt ab, "wer soll denn hier investieren? Die wollen das doch auch wieder raushaben." Er selbst kann gerade so von seinem Imbiss leben, im Winter kellnert er. "Die sollen erst mal kleine Schritte machen." Tatsächlich will der Verein noch in diesem Jahr die Terrassen abdichten, nächstes Jahr soll zumindest die brüchige Uferkante beseitigt werden. Auf lange Sicht hofft der Verein, "dass das Bezirksamt zu seiner Verantwortung steht".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!