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Archiv-Artikel

DEN IRAK BEFRIEDEN WEDER EIN TRUPPENABZUG NOCH MEHR SOLDATEN Zusammenarbeit als Exitstrategie

Was tun, wenn das eigene Militär nicht mehr will? Diese Frage muss sich der britische Premier Tony Blair seit gestern gefallen lassen, nachdem kein Geringerer als der Chef der britischen Streitkräfte, General Richard Dannatt, für einen baldigen Rückzug seiner Truppen aus dem Irak plädierte. Die Geschichte werde vermutlich zeigen, dass die Planung für die Nachkriegsphase armselig gewesen sei und mehr auf Optimismus beruht habe, so das vernichtende Urteil des Generals.

Was tun, wenn die eigene Öffentlichkeit nicht mehr will, lautet die Herausforderung für US-Präsident George Bush, nachdem inzwischen 53 Prozent der Amerikaner einen genauen Zeitplan für den Abzug ihrer Boys aus dem Irak fordern.

Die Irakpolitik ist gescheitert, aber über das weitere Vorgehen herrscht Ratlosigkeit. Soll man mehr Truppen schicken, um die Lage doch noch herumzureißen, oder soll man abziehen und die Iraker ihrem eigenen Chaos überlassen? Ist eine Teilung des Landes die Lösung – oder würde dies das neokoloniale „Teile und herrsche“-Image des Westens in der Region noch verstärken?

Klar ist, dass das bisherige „Es wird schon gut gehen“ nicht mehr ausreicht und eine vernünftige Exitstrategie überfällig ist. Bisher lautete das Credo, irakisches Militär und Polizei auszubilden, damit diese übernehmen. Aber dabei wird der Bock zum Gärtner gemacht: Schon längst sind die irakischen Truppen ein Teil des heraufziehenden Bürgerkrieges geworden. Kurden und Schiiten kämpfen als Polizisten, Sunniten als Aufständische. Vergangene Woche musste in Bagdad eine Polizeieinheit abgelöst werden, weil sie mit schiitischen Todesschwadronen Hand in Hand gearbeitet hatte.

Tatsächlich ist von der Suche nach Massenvernichtungswaffen, der Bekämpfung al-Qaidas und der Demokratisierung Iraks als Legitimität für den Verbleib der ausländischen Truppen nur noch geblieben, dass deren Abzug die Lage verschlimmern würde. Weder ein sofortiger Abzug noch mehr Soldaten werden dieses Dilemma lösen. Stattdessen bedarf es einer politischen Initiative, in der sich Washington mit allen Nachbarländern des Irak zusammensetzt, also auch mit dem Iran und Syrien.

Die meisten Nachbarländer wollen, dass das US-Experiment im Irak scheitert, schon allein um nicht selbst als Nächstes auf der Abschussliste zu stehen. Aber gleichzeitig haben sie kein Interesse an einem Bürgerkrieg, dessen Wogen schnell zu ihnen überschwappen können. Genau das ist der gemeinsame Nenner zwischen Washington, Teheran und Damaskus, und genau dort müsste eine Exitstrategie ansetzen. Politik lässt sich am Ende eben doch nicht gegen eine ganze Region, sondern nur mit ihr durchsetzen. KARIM EL-GAWHARY