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DEBATTE INTERNSexismus und die besondere Art Humor

■ „Wolf mit Schafsköpfen“: Zur Polemik von Willi Winkler

Was Willi Winkler in der taz vom 19. Oktober 1991 gegen Wolf Biermann schreibt, mag man als geschmacklos bezeichnen. Was er über Brigitte Seebacher-Brandt zu Papier bringt, ist sexistisch und menschenverachtend. Weil ihm ihre Beiträge in der FAZ nicht passen, schlägt Winkler vor, „die prämortale Witwenverbrennung“ einzuführen. Den redigierenden RedakteurInnen ist diese Formulierung nach eigenen Angaben „leider durchgerutscht“.

Möglich, daß Winkler sich unter Witwenverbrennung nichts vorstellen kann. Möglich, daß er es — nach dem Motto „Provokation schadet nie“ — zeitgemäß findet, solche Formulierungen zu benutzen. Möglich, daß er dachte, er sei einfach originell.

Wer in dem Anspruch, besonders originell zu sein, einer Frau die „prämortale Witwenverbrennung“ wünscht, hat eine besondere, aber sehr weit verbreitete Art von Humor: Den Humor derjenigen, die qua Status und Geschlecht definieren können, was komisch ist.

Die Frage, um die es geht, ist einfach und grundsätzlich: Die einen in der taz — und das sind vor allem Männer — halten Winklers Formulierung für „geschmacklos“ — weil Sexismus für sie nichts weiter als eine Geschmacklosigkeit darstellt. Die anderen — und das sind meistens Frauen — halten die Propagierung der „prämortalen Witwenverbrennung“ für die Billigung von Gewalt — weil Sexismus für sie keine gelegentliche Entgleisung, sondern ein alltäglicher Angriff auf die Würde und die körperliche Unversehrtheit von Frauen ist.

In der taz kommen wir uns immer ein bißchen besser vor mit dem Anspruch, Gewaltverhältnisse als solche zu bezeichnen und zu beschreiben. Angenommen, Willi Winkler hätte in anderem Zusammenhang — und natürlich satirisch gemeint — geschrieben: Für einen erzkonservativen Schwarzen wie den amerikanischen Obersten Richter Clarence Thomas sollte man die „präzivilisatorische Lynchjustiz“ wieder einführen. Diese Formulierung hätte erstens die geschlossene Empörung der Redaktion und zweitens die Aufmerksamkeit von Reinhard Mohr erregt, der postwendend auf Winkler geantwortet hatte (taz vom 21.10.91). Daß dessen Vorliebe für die „prämortale Witwenverbrennung“ kritikwürdig ist, ist offensichtlich auch ihm „durchgerutscht“.

Konsens bei der Einschätzung von Rassismus und Antisemitismus gibt es in der taz. Bei der Frage von Sexismus existiert er nicht. Weshalb an dieser Stelle keine von der Gesamtredaktion getragene Erklärung des Bedauerns über diesen Artikel steht. Dies ist nur die Stellungnahme von einigen RedakteurInnen — auch das sind vor allem Frauen.

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