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DDR: Zahl der Verhaftungen steigt

■ Inzwischen mindestens 27 Haftbefehle / Staatliche Organe „an der Grenze ihrer Toleranz“

Berlin (taz) – Die Zahl der Haftbefehle im Zusammenhang mit der offiziellen Kampfdemonstration zur Ehrungs Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, bei der rund 12O Vertreter von unabhängigen Menschenrechtsgruppen festgenommen wurden, hat sich mittlerweile auf mindestens 27 erhöht. Am Vortage ergingen bereits sechs Haftbefehle gegen besonders aktive Mitglieder oppositioneller Gruppen, darunter der mit Auftrittverbot belegte Liedermacher Stephan Krawczyk und die Mitinitiatorin der Kirche von unten, Vera Wollenberger. Über den Verbleib von rund 60 Personen, so war gestern aus Kirchenkreisen zu erfahren, herrsche noch Unklarheit. Den Inhaftierten wird vorgeworfen, gegen Paragraph 217 des DDR-Strafgesetzbuches (“Zusammenrottung“) verstoßen zu haben. Krawczyk wird zusätzlich die „Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit“ vorgeworfen. Nach Ansicht von Kirchenvertretern seien die zuständigen staatlichen Organe „an der Grenze ihrer Toleranz“ angekommen.

Vor 250 Zuhörern im Gemeindesaal der Ost-Berliner Zionskirche versicherte Konsistorialpräsident Stolpe, daß sich die Kirchenleitung „voll für bedrängte Menschen einsetzen“ werde. Zugleich sprach er aber von einer „sehr komplizierten Lage“. Friedens-, Öko- und Menschenrechtsgruppen protestierten in Erklärungen gegen das Vorgehen der Sicherheitsbehörden und forderten die unverzügliche Freilassung aller Inhaftierten. Rechtsanwalt Schnur kündigte an, er wolle am Donnerstag „erste Rücksprache“ mit seinen Mandanten halten und möglicherweise weitere Verteidiger hinzuziehen.

Nach Angaben aus Kirchenkreisen wurden in der Nacht zum Mittwoch in Ost-Berlin drei Personen festgenommen, die mit einem Hungerstreik für die Freilassung der Inhaftierten protestieren wollten. Sie sollen der „Unabhängigen Gruppe allgemeiner Solidarität“ angehören.

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