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DDR-Volksvertreter ohne DDR-Paß

■ Volkskammer bringt Polizeigesetz auf den Weg / CDU-Antrag auf Kündigung von Behördenleitern / Ablehnung mehrerer Gesetze, die sich durch den Beitritt zur BRD in fünf Wochen erübrigen

Berlin (dpa) - Bundesbürger können für die künftigen fünf Landtage auf dem heutigen Gebiet der DDR kandidieren, ohne vorübergehend die DDR-Staatsbürgerschaft annehmen zu müssen. Dies beschloß die Volkskammer am Donnerstag. Am 4. September läuft die Frist zur Benennung der Kandidaten für die Wahlen am 14. Oktober ab. Ohne eine entsprechende Änderung des Länderwahlgesetzes hätten interessierte Politiker aus der Bundesrepublik für wenige Wochen - bis zur Vereinigung am 3. Oktober - die DDR-Staatsbürgerschaft annehmen müssen.

Knapp fünf Wochen vor der deutschen Einheit wurden von der Volkskammer mehrere Gesetze - unter anderem ein Verfassungsgerichts- und ein Finanzverwaltungsgesetz - auf Empfehlung der Ausschüsse in zweiter Lesung abgelehnt, weil sie sich durch den Einigungsvertrag und den Beitritt zur Bundesrepublik erübrigten. Verabschiedet wurde das Krankenhausfinanzierungsgesetz, mit dem eine möglichst schnelle Angleichung der Kliniken in der DDR an das Niveau im Bundesgebiet erreicht werden soll.

Außerdem überwies das Parlament auf Initiative der CDU einen Antrag zurück an die Ausschüsse, um zu erreichen, daß den Leitern von Finanz- und Arbeitsämtern sowie der Polizeibehörde in den Kreisen bis zum 30. September gekündigt werden kann. Die Stellen sollen zum 1.Oktober ausgeschrieben werden. Die CDU begründete ihren Vorstoß damit, daß zahlreiche „bewährte“ SED-Funktionäre auf diese Posten geschoben worden seien. Kritische Äußerungen gab es erneut über die „schleppende“ Arbeit der Treuhandanstalt zur Privatisierung der rund 8.000 volkseigenen Betriebe. Die Volkskammer verlangte einen umgehenden Lagebericht.

In erster Lesung behandelte das Parlament ein Polizei- und ein Rechtsanwaltsgesetz. Das Polizeigesetz, das sich an dem Musterentwurf von Bund und Ländern aus dem Jahre 1986 orientiert, soll nach den Worten von Innenminister Peter -Michael Diestel so lange wirksam bleiben, bis die Landesparlamente entsprechende Gesetze verabschiedet haben. Ebenfalls eine Angleichung an bundesdeutsches Recht soll mit dem Rechtsanwaltsgesetz erzielt werden. Darin ist unter anderem die freie Zulassung von Anwälten geregelt. Gleichzeitig wird ein Bestandsschutz für bisher erteilte Zulassungen festgeschrieben.

Die FDP-Fraktion in der Volkskammer wählte am Donnerstag aus ihren Reihen acht Abgeordnete, die nach dem 3. Oktober in den Bundestag entsandt werden sollen. Wie bei allen 144 Abgeordneten aus der Volkskammer, die die künftigen Länder der jetzigen DDR in Bonn vertreten werden, bedarf diese Entscheidung der Bestätigung durch die Volkskammer. Zur Zeit zählt die FDP-Fraktion 24 Abgeordnete.

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