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DAS WETTER: BLUTIGER ZWEIFEL

Misstrauisch beäugte Florian Stocker die Phiole vor ihm auf dem Tisch. Sollte er oder sollte er nicht das Glasgefäß öffnen und einen Schluck vom Blut des heiligen Umberto nehmen? Pfarrer Hausinger würde ihn sofort exkommunizieren, wenn er in der Beichte erfuhr, dass ausgerechnet er, der Florian, die kostbare Reliquie an sich genommen und zerstört hatte. Seit 1548 war sie im Besitz der Gemeinde und wurde alljährlich beim Bußgang zu Ehren Sankt Umbertos aus dem Schrein geholt. Doch er konnte nicht anders. Jeden Donnerstagabend ging er zum Treffen der Anonymen Küster und sagte brav sein Sprüchlein auf: „Mein Name ist Florian, und ich bin Küster.“ Tapfer applaudierten die Anwesenden – aber das war’s dann auch. Während die anderen von dampfenden Orgien und satanischen Riten berichteten, hatte er rein gar nichts zu bieten. Er bimmelte halt den lieben, langen Tag die Glocke von Maria zu Gnaden und richtete das Kirchlein für die Messe her. Mutig griff Florian nach der Phiole. Heiliger Umberto, verzeih! O dieser nagende Zweifel …