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Archiv-Artikel

DAS ERDBEBEN BEI BASEL ZEIGT: AUCH GEOTHERMIE GREIFT IN DIE NATUR EIN Ein vertretbares Risiko

Wer der Erdwärmenutzung Böses will, der hat nun seine willkommene Schlagzeile: „Geothermieprojekt löst Erdbeben aus.“ Das schürt Urängste. Und genau deswegen ist diese Aussage, obwohl sie faktisch die Sache trifft, problematisch. Denn sie leitet in die Irre – schließlich gibt es einen Unterschied zwischen „auslösen“ und „verursachen“. Und diese Differenzierung droht allzu leicht unterzugehen.

Tatsache ist, dass sich im Oberrheingraben nun schon zum zweiten Mal binnen wenigen Wochen ein leichtes Erdbeben ereignete, weil bei Basel im Rahmen der Bauarbeiten eines Erdwärmekraftwerks Wasser mehrere Kilometer tief ins kristalline Urgestein gepresst wurde. Aber das Beben wurde durch die Arbeiten nur ausgelöst. Verursacher sind und bleiben tektonische Spannungen, die sich im Laufe von Jahrzehnten und Jahrhunderten aufgebaut haben. Hätten die Arbeiten der Geothermiker nicht für eine Entspannung im Untergrund gesorgt, dann hätten sich die Kräfte im Urgestein weiter aufbauen können – und eines Tages womöglich ein weitaus größeres Erdbeben hervorgerufen. Die Gefahr, dass irgendwann ein heftiges Erdbeben die Region Basel erschüttern wird – im Oktober 1356 hatten Erdstöße die gesamte Stadt in Trümmer gelegt – ist folglich durch das Geothermie-Projekt eher geringer geworden.

Die Freunde der Erdwärme haben also gute Argumente auf ihrer Seite. Ihre Aufgabe wird es nun in den nächsten Wochen und Monaten sein, den Menschen diese Zusammenhänge nüchtern zu erklären. Der Tenor wird dann nur so aussehen können: Jawohl, auch die Nutzung der Geothermie ist ein Eingriff in die Natur. Jawohl, es kommt zu Veränderungen im tektonischen System, und auch Grundwasserströme können beeinflusst werden. Aber: Der Einfluss auf die Naturhaushalte ist gering. Er ist vertretbar, verglichen mit atomaren Risiken und den Gefahren der Treibhausgase. Den Eindruck jedoch, mittels Erdwärme könne Energie völlig ohne Eingriffe in natürliche Gegebenheiten gewonnen werden, sollten die Geothermiker nicht mehr zu erwecken versuchen – man wird es ihnen nicht mehr abnehmen. BERNWARD JANZING