DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL : Mariela kann es sich leisten
KUBA Die Tochter von Präsident Raúl Castro stimmte als erstes Parlamentsmitglied überhaupt gegen ein Gesetz
Das kubanische Parlament hat in seiner 55-jährigen Geschichte schon einiges erlebt, aber eine Neinstimme war noch nie dabei. Nun kam sie, zum ersten Mal, ausgerechnet von Mariela Castro, Tochter von Präsident Raúl und Nichte von Fidel Castro. Die 52-Jährige stimmte gegen eine Regelung, die die Rechte von ArbeitnehmerInnen regelt und sexuelle Diskriminierung verbietet. Dabei ist Castro alles andere als homophob: Seit Jahren kämpft sie für die Gleichbehandlung von Homosexuellen, immer wieder versucht sie, Debatten zu dem Thema anzustoßen. Das neue Gesetz geht Castro nicht weit genug: Es berücksichtige nicht die Geschlechtsidentität und den HIV-Status des Einzelnen – deswegen lehnte sie ab.
Für die kubanische Politik ist das ein Novum. Bisher wurden selbst kontroverse Themen wie die Anhebung des Rentenalters einstimmig abgesegnet.
Castros negatives Votum könnte einerseits ein wichtiges Zeichen für die politische Liberalisierung des Landes sein – vielleicht folgen ihr bald andere Abgeordnete? Andererseits darf die Neinstimme aber auch nicht überbewertet werden – Mariela Castro als Tochter des kubanischen Präsidenten genießt schließlich eine Art Prinzessinnenstatus. Hätte ein gewöhnlichen Abgeordneter ein Gesetz abgelehnt, wäre das wohl nicht so einfach durchgegangen.
DENIS GIESSLER