DAS DING, DAS KOMMT : Das Silber des Meeres
Aus dem HERINGSFASS kommt er nur noch selten, dafür öfter aus der Dose: Wie wichtig der Speisefisch nicht nur für die Hanse war, zeigt jetzt eine Ausstellung in Emden
Wenn er erst mal zwischen Brötchenhälften eingeklemmt oder inmitten dickflüssiger Tomatensauce liegt, hat er seinen Glanz verloren. Nur ein blasser grauer Schimmer erinnert noch an das eindrucksvolle, silberblau blitzende Farbspiel, das die riesigen Schwärme von sich werfen, wenn sich nachts das Mondlicht an ihren Bäuchen bricht. Noch gar nicht lange her, dass man sogar die Entstehung der Nordlichter mit dem funkelnden „Heringsblick“ in Verbindung gebracht hat.
Dass man den Hering „Silber des Meeres“ getauft hat, hat aber vor allem mit jenem Silber zu tun, das sich Fischer und Händler seit dem Mittelalter seinetwegen in die Taschen stecken konnten. Bis heute will ein Sprichwort glauben machen, Amsterdam sei auf Heringsgräten gebaut. Der Aufstieg der Hanse: undenkbar ohne die Verknüpfung von Heil und Hering, der mittelalterlichen Fastenspeise schlechthin.
Etliche Schlachten hat man um die besten Fanggründe ausgetragen, hat Seeräuber gejagt und enthauptet, als der Hering ihretwegen in Mitteleuropa knapp wurde. Bis heute verteilt man in Verden als Vermächtnis alljährlich drei Wochen vor Ostern vier Fässer Hering an Bedürftige, Beamte und Geistliche.
„Störtebeker-Spende“ nennt sich das traditionelle Spektakel: Kurz vor seiner Hinrichtung auf dem Hamburger Grasbrook soll der legendäre Pirat verfügt haben, so sein Erbe fortzuführen. Und so waren es irgendwie auch die Heringe, die dazu geführt haben, dass die Hanse, allen voran die Hamburger, Mitte des 15. Jahrhunderts mehrfach den ostfriesischen Handelsort Emden besetzt hielt. Weil von dort aus die Seeräuber um Störtebeker unterstützt wurden.
Ebendort wird dem „Silber des Meeres“ nun eine große Ausstellung gewidmet, die ab Sonntag bis Ende August in den Pelzerhäusern 11 + 12 zu sehen ist. Zahlreiche Institutionen und Vereine vom Landesmuseum über das Wirtschaftsarchiv Nordwest Niedersachsen bis zum „Förderkreis Museumslogger“ haben sich zusammengetan, zu sehen sind zahlreiche Exponate aus vier Jahrhunderten Heringsfischerei in Ostfriesland, dazu geben Zeitzeugeninterviews Einblicke in das Arbeitsleben auf See und an Land.
Zeitweise war die ostfriesische Heringsfischerei ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der ganzen Region. Mitte des 16. Jahrhunderts wurde hier erstmals küstenferne Fischerei betrieben, 1769 verlieh König Friedrich II. den Emdern das Monopol, Hering für den ganzen preußischen Staat zu fangen und zu verarbeiten. Ihren Höhepunkt erlebten die ostfriesische Heringsfischer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Da kauften Emder Geschäftsleute eine niederländische Fischerei und siedelten sie in ihrer Stadt an, drei weitere Gesellschaften entstanden in der Folge.
Erinnert wird nun im Emden aber auch an längst verblassten Glanz: Ein einträgliches Geschäft ist die Heringsfischerei hier schon lange nicht mehr. 1969 wurden die Fangfahrten endgültig eingestellt, die noch bestehenden Fischereien in Richtung Bremerhaven verlegt – das Ende einer 400-jährigen Geschichte vom Hering in Emden. MATT
■ Eröffnung: So, 11. Mai, Landesmuseum Emden, Pelzerhäuser; bis 31. August