: D E R V E R R I S S Grand Slam des Todes
■ Der Thriller „Tie–Break“ von Ilie Nastase
Er steuerte mit der linken Hand, derer er sich so selten bediente; die andere lag auf dem Schenkel des Mädchens. Der weiße Rolls Royce Silver Spirit mit dem New Yorker Kenzeichen fuhr geräuschlos die Rue Fontaine hoch“. Einen Roman, der so anfängt, hat man schon viel zu lange in der Hand gehalten und sollte ihn schleunigst fortwerfen wie ein schlecht gezapftes Bier. Es sei denn, es gibt einen guten Grund weiterzulesen, und der heißt in diesem Fall Ilie Nastase. Das einstige rumänische Enfant Terrible des Tenniszirkus, Unflat der Centre Courts, Schrecknis aller Oberschiedsrichter und Pein all jener, die eine gewisse Distinguiertheit im Tennis für unerläßlich hielten, einer der letzten Abkömmlinge des Tennis–Rokoko, als ein schnörkeliger Stopp noch mehr galt als ein wuchtiges As, hat nicht, wie die meisten seiner Sportskameraden, seine Memoiren, sondern einen Thriller verfaßt. „Tie–Break“ heißt das Werk, und es führt angeblich hinter die Kulissen der Grand Slam–Turniere von Roland–Garros, Wimbledon und Flushing Meadow, wo sich die Cracks des weißen Sports tummeln, die nichts sehnlicher wünschen, als den Grand Slam (in einem Jahr die Turniere von Melbourne, Paris, London und New York) zu gewinnen und ihre Widersacher auf dem Weg dorthin zu eliminieren, zu vernichten, zu töten - und das, wie der Autor nahelegt, nicht nur auf dem Platz. Ilie Nastase präsentiert eine Galerie von Figuren, die teils erfunden, teils unschwer wiederzuerkennen sind, und verkörpert sich selbst im schlitzohrigen Jugoslawen Milo Tigrid, dem er noch einmal die besten Gags seiner Karriere unterschiebt. Den Polen Wojtek Fibak hingegen schätzte der Autor augenscheinlich nicht besonders, seine Roman–Inkarnation - „Wojtek Polak“ - läßt er, von Schrotkugeln zerfetzt, in der Badewanne enden. Schriftstellerische Höhenflüge konnte von Ilie Nastase niemand erwarten, er wurde schließlich zum Tennisspielen geboren, doch eine schlüssige Handlung, ein paar Spannungsmomente und einige Einblicke ins Intrigennetz des Welttennis hätte sein „Thriller“ schon bieten sollen. Nichts davon. Die Verbrechen wirken konfus, Handlungsstränge versickern im Nichts, ein pompös eingeführter Privatdetektiv entpuppt sich als so überflüssig wie ein Doppelfehler, die Lösung des Falles ist ebenso absurd wie banal. Der Tenniszirkus wird im Stile eines Groschenromans geschildert und erscheint so, wie ihn sich jeder Vorstadt– Lendl vorstellt: massenhaft Groupies, jede Menge Kohle und faßweise Champagner. Die Insider–Enthüllungen Nastases gehen nicht über jenes fade Konglomerat aus unverdaulichem Tratsch und aufdringlicher Frivolität hinaus, das der englische Boulevardjournalismus an jedem Wimbledon–Tag über seine bedauernswerten Konsumenten hereinbrechen läßt. Nastases literarische Nummer 1 der Weltrangliste, sauber, untadelig, umschwärmt, verliebt - natürlich in die einzige Frau des Romans, die sich nichts aus Tennis macht, sondern der Archäologie verfallen ist - gewinnt den Grand Slam nicht, ebensowenig wie ihn der Rumäne jemals gewonnen hat. Als Kriminal– Schriftsteller wird Nastase allerdings überhaupt keine Lorbeeren ernten können. Vielleicht hätte er doch lieber seine Memoiren schreiben sollen. Matti Ilie Nastase: „Tie–Break“, Knaur–Taschenbuch, 8.80 Mark
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