Country-Film Crazy Heart: Durchzechte Jahre
Groupies, miese Spelunken und soziophoben Verhaltensklischees: In Scott Coopers Regiedebüt "Crazy Heart" gibt Jeff Bridges eine verlebte Country-Legende.
Die Bowlinghalle von Clovis dämmert in der Hitze New Mexicos. Das Mehrzweckgebäude sieht aus wie ausgesetzt. Es hätte überall auf der Welt landen können. Nun ist es hier in einem Nichts aus Staub, Langeweile und Glut. Vor ihm gab es hier vermutlich ein paar Kakteen und Termitenhügel mehr. Und hin und wieder eine Staubwolke, die langsam näher rückt und erst spät die Umrisse eines galoppierenden Cowboys zu erkennen gibt.
Als Bad Blake seine Westernstiefel in den trockenen Boden rammt, hat man ihn schon von Weitem in seinem alten Pick-up heranknöttern sehen können. Er streckt seinen steifen Rücken durch, kaut auf seinem Glimmstengel und sprengt den Vorplatz mit dem Urin aus seinem Kanister. Seine graue Polyesterhose steht offen, und sein Blick ist von den durchzechten, erinnerungslosen Jahren leer geräumt.
Bad Blake ist wohl das, was man einen "honky tonk hobo" nennen könnte. Nach ein bisschen Geklampfe zieht die 57-jährige Ex-Country-Legende mit Groupies, die er im nüchternen Tageslicht nicht um Feuer bitten würde, durch die Spelunken und erwartet vom Leben nichts anderes mehr als den nächsten Kopfschmerz. "Funny how falling feels like flying … for a little while", hieß der Refrain seines größten Erfolges. Doch Bad ist nicht mehr am Fliegen, er ist am Sterben. Zu viel vom Bourbon, zu viel von mexikanischen Billig-Pornos in irgendwelchen Motellöchern, zu viel von einem Leben, das sich in einer dunkeln Wolke aus trauriger Gewöhnlichkeit auflöst.
"Crazy Heart" spielt um 1987, also etwa im Erscheinungsjahr des gleichnamigen Romans von Thomas Cobb, der seinerseits den Titel von einer Hank-Williams-B-Seite entliehen hat. Es ist die Geschichte einer langsamen Ausnüchterung, einer langwierigen Genesung von soziophoben Verhaltensklischees. Und sie gäbe wohl nur eine weitere gebrochene Ex-Country-Star-Story ab, wäre da nicht Scott Coopers (Regiedebütant) große Liebe zu handgezupfter und ungepitchter Country-Musik und das mehrfach ausgezeichnete Arrangeur-Talent von T Bone Burnett ("Walk the Line", "O Brother, Where Art Thou?"). Und schließlich einen wundervollen Jeff Bridges, der Bad Blake mit alkohollöslicher Melancholie und sesselpfurzendem Selbstmitleid umgibt. An Blake, der mal an Kris Kristofferson, dann wieder an einen späten, längst dem Zirkus verpflichteten Buffalo Bill erinnert, kann man sehen, wie gut Jeff Bridges sich darauf versteht, sein Spiel aus der reinen Reaktion oder der abgebrochenen Geste zu entwickeln. All die habituellen Umständlichkeiten, mit denen er auf einem Barhocker Platz nimmt, oder die seltsame Schleife, die sein Handgelenk macht, wenn er sein Whiskyglas vom Brustkorb auf den Nachttisch befördert. All die unkontrollierten Ausbreitungen seines Körpers, wenn er sich zum Reiern über einen Mülleimer hängt oder die Toilette verfehlt. In jedem Fleck seiner Kleidung spiegeln sich die physischen Effekte seiner Selbstaufgabe wieder.
In Maggie Gyllenhaal, die ihm als Journalistin Jean bei einem Interview näherkommt, findet er einen ebenso mutige wie sanfte Gegenspielerin, die zwischen Allüren und Charakter unterscheiden kann. Doch "Crazy Heart" muss seinen Cowboy nicht in den Sonnenuntergang eines leuchtenden Glücks reiten lassen. Der Film ist schon ganz bei sich und seinem Helden, wenn Bridges über den Rand seiner albernen Sonnenbrille zum gegelten Nachwuchsstar Tommy Sweet (Colin Farrell) herüberlinst und im Bruchteil einer Sekunde ein ganzes Epos von Wehmut, Neid und wiedergefundener Coolness erzählt.
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