Durchs Dröhnland
: Connors, McEnroe, Nastase und der Punkrock

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Wer vom letztjährigen, überfälligen Lebenszeichen der schwedischen Nomads genauso enttäuscht war wie ich, der sollte seinen Blick ein wenig weiter westlich richten. Motorpsycho kommen aus Norwegen und dröhnen wie die hervorragendsten Vertreter des skandinavischen Trash zu ihren Glanzzeiten. Hinzugefügt hat das Trio aus Trondheim reichlich Seventies, was sich dann etwa so anhört wie Grunge – aber der ist bekanntermaßen ja auch nur ein leicht modernisierter Bastard des momentanen Siebziger-Revivals. Hysterisches, wohl psychedelisch gemeintes Gekreische über stumpf prügelnden Beats oder langsam sich zur Exstase steigerndes Primitiv-Gezupfe – Motorpsycho haben so ziemlich alles im Angebot, was das Jahrzehnt der Küchendurchreiche und Hollywoodschaukel erträglich machte. In den Momenten, die sogar noch besser sind als ihre durchgehend guten, produzieren sie einen träge fließenden Beat mit der unaufhaltsamen Wirkung von Lava, der gewaltig drückend über Dich kommt, ohne eigentlich langsam zu sein. Das können sie richtig gut, das sollten sie noch öfter tun.

Mit den Space Hobos am 29.1. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

The Levellers kommen eindeutig in der falschen Jahreszeit – so dängeln und jingeln ihre Gitarren. Die Band aus Brighton hat ihre Folk-Wurzeln auf eine selten aufblitzende Mundharmonika reduziert und übt sich im Gitarrenpop. Dabei erinnern sie eher an amerikanische Vorbilder als an britische, denn anstatt zu klagen und zu jammern, ist Lustigkeit ihr Grundprinzip. In selbigem erreichen sie aber nie die sphärische Leichtigkeit, die zum Beispiel die Byrds ausgezeichnet hat, sondern bleiben platt auf dem Boden von Melodie und Harmonie kleben.

Am 29.1. um 20 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Die Fallen Angels sind eine fünfköpfige A-cappella-Band aus Frauen, die ihre Stimmen und den Verzicht auf Instrumente dazu nutzen, die musikalischen Klischees ihrer Heimat Irland zu adaptieren – ohne in jene Suffseligkeit zu verfallen, die die an allen Enden sprießenden Irish Pubs dem Mitteleuropäer als das Original vermitteln wollen. Neben wenigen eigenen Songs interpretieren die Fallen Angels irische und englische Traditionals, und sogar die Uralt-Schnulze „Over The Rainbow“, die in Judy Garlands Version manchen Kinderalptraum verursachte, machen sie mit perfektem Harmoniegesang und gnadenlosem Timbre zum erschütternd traurigen Dublin-Blues, in dem jedes Augenzwinkern getilgt ist. Ganz nebenbei demonstrieren die Angels auch noch das neugewonnene Selbstbewußtsein irischer Frauen. Das ist Irland hinter dem Tourismus, hinter den „Commitments“.

Am 30.1. um 20 Uhr in der Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg

Meat Beat Manifesto gründeten sich 1987, nahmen die ruinösen Reste von Electronic Body Music, dem belgischen Beitrag zum Tanzschaffen der alten Welt, reicherten sie mit dem Vocal-Style des amerikanischen HipHop und den Errungenschaften der europäischen Müll- und-Metall-Avantgarde an und verzierten das Ganze mit obskurer Theorie, obskuren Filmchen und obskuren Bühnenshows – fertig waren die Pioniere des weißen europäischen HipHop. Dabei differierte ihre Akzeptanz extrem zwischen der Musikkritik, die sie als Kunststudenten abtat, und den eher anonymen Tanzböden des Kontinents, wo sich ihre Stücke zu Selbstläufern entwickelten. Nach dem kurzfristigen Abebben der britischen HipHop-Szene haben Meat Beat Manifesto den Brückenschlag nach Amerika vollbracht, und Jack Dangers, die eine Hälfte des Duos, produzierte und remixte die Disposable Heroes of Hiphoprisy, Consolidated, Shamen, Coil, MC 900 ft Jesus und sogar David Byrne. Musikalisch haben sich Dangers und sein Partner Jonny Stephens extrem weiterentwickelt, sind viel melodiöser und harmonischer geworden, ja sogar ihre Beats haben jetzt etwas, was man Eleganz nennen sollte. Das ist ungefähr so, als würden sich die Einstürzenden Neubauten plötzlich wie Frank Sinatra anhören – aber manchmal wünscht man sich so was ja.

Am 3.2. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Die Jahre kommen und gehen, und je älter man wird, desto schneller geht es voran. Aber es gibt Leute, denen kann die Zeit nichts anhaben. Van Morrison ist so jemand, Kevin Coyne auch. 27 (in Worten: siebenundzwanzig) LPs hat der Engländer gemacht, und wie alt er ungefähr sein muß, kann man sich ausrechnen, wenn man weiß, daß er damals nach Jim Morrisons Tod das Angebot ausgeschlagen hat, Sänger bei den Doors zu werden. 27 Platten lang wehrt er sich schon entschieden dagegen, Erfolg zu haben. Und auch wenn er zwischenzeitlich mal mittelgroße Hallen füllte, ist er jetzt wieder in die kleinen heimeligen Clubs zurückgekehrt. Es gab auch Zeiten zu Beginn der Achtziger, da war er so abhängig und durchgeknallt, daß man seine Platten nur in kleinen Dosierungen ertragen konnte. Aber das ging dann weniger durch die Presse als bei Joe Cocker oder Harald Juhnke. Gestrandet in der Bahnhofsmission Nürnberg (!), begab er sich schließlich auf den Weg der Besserung und lebte fortan alle seine Begabungen hemmungslos aus: Er malt, schreibt Stücke und Gedichte, macht Musik oder gleich alles auf einmal. Seine Platten klingen manchmal, als wolle er endlich Geld verdienen, manchmal versponnen wie früher, aber von der Weisheit des Alters gezeichnet. Aber beides kann er gut, einfach gut.

Am 4.2. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Die Dwarves, da sind sich alle einig, sind die unverschämteste, dreckigste, schnellste, blödeste, sexistischte Punkrockband des Planeten. Ihre erste Platte hatte eine Gesamtspieldauer von 13 Minuten, aber kostete den vollen LP-Preis. Diese Dreistigkeit, die penetrante Verwendung des Wörtchens „fuck“ und die blutbesudelten Nackten auf dem Cover gaben der Musik der Dwarves erst eine Bedeutung, die sie von sich aus nie erlangt hätte. Schönes Beispiel ist die Kritik im Fanzine Kerrang: „PUNK ROCK – Geburt, Tod und Wiederauferstehung in gerade mal 13 Minuten.“ Die Dwarves sind überflüssig, weil Punkrock in dieser Form überflüssig ist. Da rettet auch ihr derber Witz nicht mehr viel und auch nicht, daß sie mit dessen Hilfe den Sexismus- Vorwurf locker aushebeln könnten – wenn sie das wollten. Man kann sie trotzdem mögen, ohne sich selbst gleich wie ein Schwein vorzukommen, aber dazu muß man schon ein ganz heftiger Traditionalist sein. Ihre neueste Platte ist immerhin 18 Minuten lang, und einige der 12 Stücke könnten vor – sagen wir mal – acht Jahren möglicherweise hörbar gewesen sein. Eins hat sich nicht verändert: Wären die Dwarves Tennis-Profis, würden sie ihr Preisgeld, kaum hätten sie es verdient, gleich wieder für Strafen wegen unflätiger Bemerkungen auf dem Centre Court ausgeben. Man stelle sich Jimmy Conners, John McEnroe und Ili Nastase in einer Band vor.

Mit Reverend Horton Heat und Supersuckers am 4.2. um 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg Thomas Winkler