Commerzbank-Chef Martin Blessing: Der wendige Banken-Baron
Martin Blessing kennt die Dresdner Bank gut. Bevor der Versicherungskonzern Allianz die Bank übernahm, war der Commerzbank-Chef dort tätig.
Solch eine Bilanz nach drei Monaten im Amt kann nicht jeder vorweisen. 109 Tage nach seinem Antritt als Chef der Commerzbank hat Martin Blessing mit der Übernahme der Dresdner Bank die größte Bankenfusion Deutschlands hingelegt. Vermutlich hat er das als Spross einer Bankiersfamilie im Blut: Großvater Karl Blessing war in den 1960er-Jahren Bundesbankpräsident, sein Vater Werner war Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bank. Selbst seine Frau ist Bankerin, bei der US-Investmentbank Goldman Sachs. Der 45-Jährige kennt das Übernahmeobjekt von innen.
Bei der Dresdner Bank begann er seine Karriere mit einer Banklehre. Es folgte ein BWL-Studium in Frankfurt am Main und im schweizerischen St. Gallen. Dann kam ein achtjähriger Zwischenstopp bei der Unternehmensberatung McKinsey, wo er es in einer Blitzkarriere bis zum Partner brachte - bevor er zur Dresdner Bank zurückkehrte. Dort bekam er erste Einblicke in die schwierige Bankenfusionierung. Als im Jahr 2000 die Fusion von Deutscher und Dresdner Bank scheinbar vor der Vollendung stand, sollte er die Integration des Privatkundengeschäfts der beiden Banken vorbereiten. Als stattdessen ein Jahr später aber die Allianz die Dresdner Bank übernahm und für Blessing kein Platz im neuen Vorstand war, ging er 2001 zur Commerzbank - in die Vorstandsetage.
Blessing wird als schlagfertiger Zahlenmensch beschrieben. Und, je nach Perspektive, als unprätentiös und guter Zuhörer oder auch als überheblich und ungeduldig gegenüber Mitarbeitern. Jedenfalls tickt noch der Unternehmensberater in ihm. Wenn es die Ertragslage erfordert, streicht er die Stellen zusammen. In seinem ersten Verantwortungsbereich bei der Commerzbank, dem Privatkundengeschäft, schloss er erst mal 200 Filialen und baute 1.300 Stellen ab. Aber er schaffte auch die Ertragswende. Anschließend machte er das Mittelstandsgeschäft zum renditestärksten Bereich der Bank, nicht zuletzt mit weiteren Stellenkürzungen. Seither galt er als Kronprinz von Vorstandschef Klaus-Peter Müller, der im Mai Aufsichtsratschef wurde.
Blessing gilt als harter, aber nicht als kompromissloser Verhandler. Als er bei der Eurohypo nach deren Übernahme durch die Commerzbank 2005 neue Stellenstreichungen verkündete, bot er an, einen Teil davon bei Erreichen bestimmter Gewinnziele wieder zurückzunehmen. Auch jetzt gehören drastische Stellenstreichungen zu Blessings Programm. Doch möglicherweise gelingt es ihm, den Betriebsrat auf seine Seite zu ziehen, sofern er auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet und den Jobabbau einigermaßen sozialverträglich gestaltet.
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