piwik no script img

Comeback der Schallplatte„Heintje ist voll nach hinten losgegangen“

Christoph Wohlfarth ist Chocolatier. In seiner Manufaktur in Prenzlauer Berg stellt er auch Schokoladen-Schallplatten her. Die sind selbstverständlich abspielbar.

Bis zu sieben Mal kann man eine Schoko-Platte abspielen. Trude Herrs "Ich will keine Schokolade" ist ein Verkaufsschlager. Bild: Isabel Lott
Interview von Gunnar Leue

taz: Herr Wohlfarth, sind Sie ein Plattenfreak?

Christoph Wohlfarth: Ne, gar nicht. Ich hatte zwar ganz früher auch mal eine Anlage mit Plattenspieler und Kassettenteil, bin dann aber doch schnell auf CD umgestiegen, weil ich nur ein System haben wollte.

Wie kamen Sie auf die Idee der Schokoladen-Schallplatten?

Ich habe vor etlichen Jahren mal in Wien an einem Wettbewerb für Chocolatiers teilgenommen, bei dem wir Schaustücke herstellten. Bei einem Tablettabdruck, in dem lauter Rillen waren, dachte ich spontan: Das sieht ja aus wie eine Schallplatte. Damals wusste ich gar nicht, dass es Platten aus Schokolade schon lange gab. Das erzählte mir erst ein Kollege im Schokoladengeschäft, in dem ich damals angestellt war. Ich habe dann ein bisschen rumexperimentiert und in der Zeit auch den eigentlichen Erfinder der Schokoladen-Schallplatte getroffen.

Wer ist das?

Das ist Peter Lardong, aus Berlin. Zwar hatten sich auch schon der Schallplattenerfinder Thomas Edison und der Schokoladenfabrikant Ludwig Stollwerck Anfang des 20. Jahrhunderts daran versucht, aber erst Herr Lardong hat es in den 80er Jahren richtig geschafft. Und er hatte damit offenbar Riesenerfolg, trat sogar in Fernsehshows auf. Ich hatte das nie mitbekommen, aber er hat es mir selbst erzählt. Neulich war er mal bei mir im Laden. Demnächst werde ich vielleicht sogar mit ihm zusammenarbeiten.

Es gibt ja seit Jahren einen Comeback-Hype um die Vinylschallplatte. Wirkt sich das bis zu Ihnen aus?

Ich weiß nicht, ob das eine Rolle spielt. Schokolade ist ein sehr saisonales Geschäft, gerade vor Weihnachten haben wir sehr viel zu tun. Deshalb sind von den 13 Platten, die wir im Angebot haben, vier Weihnachtslieder.

Im Interview: Christoph Wohlfarth

36, ist gelernter Bäcker/Konditor, die Backhandwerkstradition

in seiner Familie reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. 2003 kam Wohlfahrth aus Bremen nach Berlin, wo er heute als Chocolatier seine eigene Manufaktur in Prenzlauer Berg betreibt, in der er auch Schokoladen-Schallplatten herstellt, die aus edlem Biokakao sind und in recycelten Pappcovern verkauft werden.

Wie viele Schokoladenplatten verkaufen Sie im Jahr?

Keine Riesenmengen. Insgesamt maximal dreistellig, aber auch nur dann, wenn Firmen ein paar mehr ordern. Wir haben zum Beispiel für die Plattenfirma Universal eine Sonderauflage zum Record Store hergestellt. Das war eine Platte der Hamburger HipHop-Band Deine Freunde.

Welches sind Ihre Verkaufshits im Laden?

Natürlich von Trude Herr „Ich will keine Schokolade“, auch „Mein kleiner grüner Kaktus“ von den Comedian Harmonists oder „Mister Sandman“ von The Chordettes.

Entspricht das auch Ihrem Musikgeschmack?

Mein Musikgeschmack umfasst eine Menge, von Dubstep bis zur Volksmusik. Sehr wichtig ist für mich aber eine gewisse Harmonie in der Musik. Sie darf nicht zu verfrickelt sein.

Deshalb haben Sie auch Heintje mit „Mama“ im Angebot?

Ne, das war als Muttertagpräsent gedacht, deshalb auch die Herzform. Aber das ist voll nach hinten gegangen, vielleicht hätte man da noch eine rote Schleife drum machen müssen und so. So funktioniert es leider nicht richtig. Heintje ist der Flop. Aber wie gesagt, ich steh auch nicht auf Heintje, im Gegensatz zum Beispiel zu den Comedian Harmonists. Ich bin ein großer A-cappella-Fan, wobei A-cappella ja keine Musikrichtung in dem Sinne ist, mal abgesehen vom Barbershop.

Was ist das?

Das bezeichnet einen Musikstil, der im 19. Jahrhundert in den amerikanischen Friseursalons entstand. Da wurden die Kunden von den Barbieren beim Warten mit Gesang unterhalten, und bei dem ist das Arrangement genau vorgegeben. Ansonsten ist A-cappella ja Singen ohne Instrumentalbegleitung und da gibt’s heute stilistisch ja alles bis hin zu Techno.

A-cappella-Techno?

Dabei wird zum Beispiel die Stimme verfremdet, dass sie wie eine E-Gitarre klingt.

Auf einer Schokosingle haben Sie das aber nicht?

Nein, aber ich habe von der Berliner A-cappella-Gruppe Klangbezirk eine Jazzversion von „Kling Glöckchen“. Die Gruppe hat auch selbst ein paar Platten davon für sich gekauft. Privatpersonen bestellen seltener ein spezielles Lied, das sie als Schokoplatte in der Regel verschenken wollen.

Apropos. Wie lange halten die Schokoplatten?

Fünf bis sieben Mal kann man sie problemlos abspielen, wenn man sie vorher im Kühlschrank lagert und richtig abspielt. Dazu braucht man nur einen Plattenspieler, bei dem man das Gewicht des Tonarms einstellen kann. Damit die Nadel nicht zu schwer aufliegt. Der Nadel selbst schadet das nicht, die kann man mit einer Bürste wieder reinigen. Allerdings werden unsere Platten sowieso nicht allzu oft abgespielt, sondern alsbald gegessen oder aufgehoben. Aber viele Leute sind tatsächlich immer wieder erstaunt, dass das Abspielen überhaupt funktioniert.

Und der Klang?

Hören wir mal. (Herr Wohlfarth legt „Mister Sandman“ auf.)

Klingt gut, kaum Knacken und Knistern.

Ja, das ist eher ein kleines Rauschen …

Aus welcher Schokolade besteht die Schallplatte denn?

Aus 70-prozentigem Kakao. Natürlich nehmen wir keinen Industriekakao, sondern fair gehandeltem Kakao aus Südamerika. Der Kakaobutteranteil sorgt für die nötige Festigkeit. Dunkle Schokolade eignet sich besser als weiße, weil die schneller weich wird, aber die ginge auch.

Würde die anders klingen?

Im Akustiklabor kann man bestimmt Unterschiede hören, aber marginal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!