■ Clintons Zögern gegenüber dem Vance/Owen-Plan: Das kleinste der großen Übel
Die Fehler und Versäumnisse der internationalen Gemeinschaft (vor allem der westlichen Staaten) in den letzten fünf Monaten und schon zuvor seit dem offenen Ausbruch der innerjugoslawischen Konflikte im Frühjahr 1991 – sie sind jetzt nicht mehr zu korrigieren. Deshalb gibt es zum jetzigen Zeitpunkt auch keine Alternative mehr zu dem von Cyrus Vance und David Owen vorgelegten Abkommen für Bosnien- Herzegowina. Ihr falscher Verhandlungsansatz, ihre oft demütigende Behandlung der bosnischen Regierung bei zugleich ehrerbietigem Umgang mit den serbischen Führern Karadzić und Milosević, ihre monatelang viel zu optimistische Darstellung des Genfer Verhandlungsstandes gegenüber ihren Auftraggebern UNO und EG – all das ist immer wieder kritisch analysiert worden. Und es bleibt auch richtig, daß der Vance/Owen-Plan einen Teil der „ethnischen Säuberungen“ und anderer Kriegsverbrechen sanktioniert und letztlich auf die ethnische Teilung Bosnien-Herzegowinas zum Nachteil der Muslime hinausläuft.
Das bleibt auch wahr, wenn Vance und Owen jetzt auf alle möglichen Bestimmungen des Abkommens zur internationalen Überwachung seiner Einhaltung sowie zur Sicherung der Rechte der Minderheiten und der rückkehrwilligen Flüchtlinge verweisen. Aber: Der Vance/Owen-Plan ist das kleinste aller jetzt noch möglichen Übel, wenn denn die oberste Maxime ist, den grausamen Krieg endlich zu beenden. Andere Optionen, wie die Einrichtung eines UNO-Protektorats oder die militärische Intervention zugunsten der Muslime, hatten zu keinem Zeitpunkt eine reele Chance, weil die internationale Staatengemeinschaft das dazu notwendige Engagement scheute.
Das waren – und sind – die Rahmenbedingungen, die der Verhandlungsstrategie von Vance und Owen enge Grenzen setzten. Angesichts dieser Tatsache ist die Weigerung der Clinton-Administration, den Vance/Owen-Plan jetzt zu unterstützen und ihm damit zu einer schnellen Durchsetzung zu verhelfen, ein verhängnisvoller Fehler. Sie hat damit – entgegen ihren eigenen Intentionen – Karadžić einen großen Gefallen getan, den dieser sogleich auch zu nutzen verstand. Clinton hat keine Alternative vorzulegen.
Wenn der US-Präsident in einigen Wochen schließlich den Vance/Owen-Plan mit einigen kleinen Veränderungen zugunsten der Muslime als Clinton- Initiative vorlegen wird, hat der Krieg weitere vermeidbare Opfer gefordert. Auch wären die USA dann sehr viel stärker für die Durchsetzung des Abkommens mit eigenen Truppen verantwortlich, als sie das bei einer schnellen Zustimmung zum Vance/ Owen-Plan im Rahmen des UNO-Sicherheitsrates sind. Die in Washington immer noch erwogene und jüngst auch von Kohl und Rühe verlangte Aufhebung des Waffenembargos gegen die Muslime ist die schlechteste aller denkbaren Optionen. Es wäre dies, da haben Vance und Owen recht, feiger Populismus, der die eigenen Fehler kaschieren soll. Ein Akt, der Solidarität mit den Muslimen vortäuschen soll, tatsächlich aber das eigene schlechte Gewissen verrät. Andreas Zumach, z.Zt. New York
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen