Christoph Raffelt Mundwerk: Pet Nat – der Schäumer mit dem Coolness-Faktor
Am Anfang gab es ein Problem. Christian Chaussard, Winzer an der Loire, hatte seinen bekanntesten Weißwein, einen halbtrockenen Chenin blanc, im Winter ungefiltert abgefüllt und musste im Frühjahr bei wärmeren Temperaturen zusehen, wie der Wein in der Flasche nachgärte.
Er war nicht der Erste, dem das passierte. Das Gleiche geschah auch dem Marquis de Saint-Évremont im 17. Jahrhundert. Der hatte sich ein Fass Weißwein aus der Champagne mit nach London genommen, ließ den Wein in Flaschen füllen, und auch dort gärte der Wein nach.
In London wurde der Bubbly Wine from Champagne ein großer Hit, und die Folgen sind bekannt. Christian Chaussard, der zunächst dachte, er müsse seinen Wein entsorgen, machte aus der Not eine Tugend und bot seinen Wein als Pétillant naturel an – und der Schäumer wurde ein Erfolg.
Tatsächlich ist diese Art, Schaumwein herzustellen, viel älter als die Herstellung von Champagner. Denn der entsteht ja dadurch, dass fertiger Wein zusammen mit etwas Hefe und Zucker auf Flaschen gefüllt wird, wo er ein weiteres Mal vergärt.
Beim Blanquette de Limoux, den man im Süden Frankreichs schon lange vor dem Champagner trank, wurde der halb vergorene Wein in Flaschen gefüllt und verschlossen. So wird die Gärung in der Flasche einfach nur beendet. Dabei fällt dieser Wein manchmal süßer, manchmal trockener aus, und im Gegensatz zum Champagner bleibt die Hefe in der Flasche.
Da Chaussard zu den Naturweinwinzern zählt, also zu jenen, die ihre Weine so wenig wie möglich manipulieren, wurde der Pet Nat in dieser Szene ein Erfolg.
Von der Loire ist das Pet-Nat-Fieber einmal um die Welt gezogen. Deutschen Pet Nat in seiner reinsten Form macht Stephan Krämer aus Auernhofen im Taubertal. Der Muschelkalk nature ist naturtrüb, weil Krämer einen großen Teil der Hefe auf der Flasche lässt. Zudem ist er ganz durchgegoren. Es ist ein aromatischer Schäumer, ohne Make-up – aber mit hohem Trinkfluss.
Dass Pet Nat auch als Rosé geht, zeigt Judith Beck aus dem österreichischen Burgenland. Deren Bambule R aus der Sorte Blaufränkisch hat ebenfalls viel Frische, ist aber beeriger, und man findet ein wenig Gerbstoff am Gaumen. Da die Ernte im letzten Jahr im Burgenland sehr gering war, gibt es den Bambule R ausschließlich im taz.shop und sonst nirgends.
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