Christliche Gewerkschaften: Gericht verbietet Lohndumper
Die Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften ist nach einem Urteil in letzter Instanz nicht tariffähig. Andere Gewerkschaften und Politiker begrüßen das Urteil
BERLIN taz | Das Bundesarbeitsgericht hat am Dienstag in letzter Instanz entschieden, dass die Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist. Damit darf die CGZP keine Tariffverträge mehr abschließen. Über die Gültigkeit der alten Tarifverträge machten die Richter jedoch keine Angaben.
Die Dienstleistungswerkschaft Ver.di und Berlins Arbeitssenatorin Carola Bluhm begrüßten das Urteil. "Die Entscheidung ist ein tarifpolitischer Meilenstein und ein großer Erfolg für die Beschäftigten in der Leiharbeit", sagte Bluhm. Der stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Gerd Herzberg betonte, die Entscheidung "verbessere die rechtliche und vor allem die finanzielle Situation" der Arbeitnehmer in der Leiharbeitsbranche. Das Land Berlin hatte mit Ver.di gemeinsam den Prozess gegen die CGZP angestrengt.
Das BAG folgte mit seiner Entscheidung den Richtersprüchen des Berliner Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg. Diese hatten die CGZP - mit unterschiedlichen Begründungen - bereits 2009 für "nicht tariffähig" erklärt. Das BAG begründete sein Urteil am Dienstag unter anderem damit, dass der CGZP aufgrund einer zu geringen Zahl an Mitgliedern die erforderliche Tarifmächtigkeit fehle, teilte ein Gerichtssprecher mit.
Seit ihrer Gründung 2002 hat sich die christliche Gewerkschaft CGZP mit Arbeitgebern in zahlreichen Haustarif- und Flächentarifverträgen auf Dumpinglöhne für Leiharbeiter geeinigt. Von Stundenlöhnen von bis zu unter 5 Euro waren in den letzten Jahren nach vorsichtigen Schätzungen von Peter Schüren, Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht an der Universität Münster, rund 200.000 Leiharbeiter betroffen. Ver.di geht sogar von bis zu 280.000 Leiharbeitern mit CGZP-Verträgen aus.
Ob Arbeitnehmer und Sozialkassen jetzt auf Nachzahlungen in Milliardenhöhe hoffen können, ist mit dem Urteil vom Dienstag noch nicht geklärt. Dazu muss erst das Arbeitsgericht Berlin das Verfahren gegen die CGZP wieder aufnehmen und entscheiden, ob die alten Tarifverträge nichtig sind.
Sollte das passieren, könnten die Leiharbeiter mit CGZP-Verträgen bei den Verleihfirmen die Differenz zwischen dem alten Lohn und dem Lohn der Stammbelegschaft einklagen. Das kann - je nach Fall - Lohnnachzahlungen von 30 oder 40 Prozent bedeuteten.
Die Verleiher oder die Entleihfirmen müssten andererseits dann auch die entsprechend anfallenden Differenzbeträge zur Krankenkassen-, Renten-, Arbeitslosen, Pflege- und Unfallversicherung nachzahlen. Schüren geht nach vorsichtigen Schätzungen von insgesamt rund zweieinhalb Milliarden Euro an Sozialversicherungsbeiträgen aus, die zusammenkommen könnten. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) hatte darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeber diese Beiträge im gegebenen Fall eigenständig nachzahlen müssten. Aber auch Betriebsprüfungen, um säumigen Zahlern auf die Spur zu kommen, könnten es geben.
Leser*innenkommentare
1 EURO JOBBER
Gast
Berlins Arbeitssenatorin Heidi Knake-Werner ist Geschichte.Ein Euro Job bleibt.Staatlich geprüft.
Susi Sorglos
Gast
Das Gebaren dieser »Gewerkschaft« fügt sich nahtlos in die 2000jährige Kriminalgeschichte des
Christentums. Schon immer dienten sich seine Führer den gerade aktuell Herrschenden an, teilten sich entweder die aus dem Volke gepreßte Beute, oder wurden von ihnen besoldet. Noch heute übrigens werden die Kirchen aus dem Steuersäckel mit ca. 15 Milliarden Euro jährlich subventioniert [1]. Wegen der hohen moralischen Kompetenz, die sich bspw. gerade im kirchlichen Sonderarbeitsrecht zeigt, was den kirchlichen Mägden und Knechten mit die niedrigsten Löhne Deutschlands beschert. Lohndumping bis hin zur Zwangsarbeit von Heimkindern sind quasi Teil der »christlich-abendländischen Kultur«. Das meinte wohl auch Angela Merkel, als sie auf der CDU-Regionalkonferenz am 15. Oktober erklärte: »Wir fühlen uns dem christlichen Menschenbild verbunden, das ist das, was uns ausmacht.« Wer das nicht akzeptiere, der sei »bei uns fehl am Platz«[2].
[1] http://www.stop-kirchensubventionen.de/
[2] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,723466,00.html
wolfgm
Gast
Schön wärs ja,aber diejenigen die in der Arbeitsverhältnissen waren werden wohl nur dann etwas bekommen wenn sie Klagen.Aber woher nehmen ,keine Rechtsschutzversicherung und Ausbeute-Arbeitgebern ausgeliefert.Der Staat wird sich wohl einigen mit den Kriminellen Ausbeutern.Schön währe es wenn die großen Gewerkschaften eine Anlaufstelle bereitstellen würden um den Opfern zu helfen wie sie an Ihren Restlohn kommen.Ich selbst würde das befürworten ,ich bin selbst Verdi-Mitglied.Vielleicht besteht ja auch ein Tatbestand der krimminellen Vereinigung zwischen Arbeitgebern und Zeitarbeitsfirmen und Arbeitsämtern,Arge zum Nachteil der Sozialkassen und des Leiharbeiters.Den viele der Arbeitnehmern werden ja regelrecht gepresst um ein solches Arbeitsverhältniss einzugehen.
carolus
Gast
so sehr das urteil zu begrüssen ist,würde ich mich freuen,wenn auch die sogenannten "richtigen"gewerkschaften sich endlich gegen zeitarbeitsfirmen und deren dumpinglöhne in stellung brächten.
auch finde ich,dass die gewerkschaften noch immer viel zu sehr gemeinsame sache mit den arbeitgebern machen und nur darauf warten sich ein grosses stück vom kuchen abzuschneiden siehe gutdotierte aufsichtsratsposten und ähnliches.jüngstes beispiel wechsel von transnet chef in den bahnvorstand als personalchef usw.
da vergisst man schnell wofür man eigentlich da ist!
udo
Gast
Es wäre interessant zu wissen wer die Hintermänner dieser Glaubensgemeinschaft sind !!
björn klapp
Gast
die prekarisierung der arbeitswelt ,ist auch von den gewerkschaften verursacht worden! sie sind auch eine ursache für die erosion der mittelschicht ! dies war in den letzten jahren vermehrt zu beobachten. was die "c" gewerkschaft angeht ,sie war im wesentlichen immer ein fake. das problem ist ganz klar ,nicht nur arbeitgebern, auch vertretergruppen,fehlt ökonomisches verständnis . die sogennante "christliche" gewerkschaft war de facto konstruiert .was wir brauchen sind absolut gleiche arbeitsbedingungen ,auch in der leiharbeit . der bogen wurde überspannt . ferner ist die leiharbeit auf das wesentliche zu reduzieren .
vantast
Gast
Das Wort "christlich" bedeutet wohl überall das Ausnutzen der Schwächeren, Mißbrauch, Unterstützung der Reichen, Menschenfeindschaft.
ein ehemaliges Leihschwein
Gast
Der fundamentale Kernwitz des Ganzen ist ja, daß nicht die eigentlichen Arbeitnehmer, sondern die Leiharbeitsfirmen, also die Arbeitgeber in bzw. besser die Gewerkschaften sind. Und die auch unter staatlicher Obhut entscheiden, wer zu ihnen dazugehören darf, und wer nicht.
Sonst könnte ja jeder seine eigene Leiharbeitsfirma gründen, und sich selbst vermitteln.
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Da die omnipräsenten Lobeshymnen auf dieses System den Glauben von seiner heilbringenden Notwendigkeit in der Mehrheit der Köpfe einbetoniert hat, sollten zu hohe Rückzahlungserwartungen hier gedämpft werden.
Vergessen sie bitte nicht, daß wir nach wie vor in einem System leben, in dem die unbeirrbare Überzeugung, das Dogma, vorherrscht, daß das Wirtschaftswachstum das größte, unantastbarste Allerheiligste überhaupt ist, und daß dieses nur dadurch erreicht werden kann, in dem man die Leute mit viel Geld schont und ihnen möglichst freie Hand lässt.
Und daher wird man bei Leiharbeitsfirmen und Leuten wie Herrn Schlecker lieber 'Gnade vor Recht' ergehen lassen, bevor man zehntausenden von Ausgebeuteten ihren gerechten Lohn zukommen lässt - erst recht nicht rückwirkend!
Das wird in dieser Republik unter Regierungsparteien wie CDU/CSU, FDP und SPD NIEMALS(!) passieren.
Da werden zwei-, dreihundert Leiharbeiter im Rahmen groß aufgezogener Bild- und RTL Aktionen mit ein, zwei hundert Euro beglückt,
und dann wird das Thema unter der nächsten Sensationsmeldung vergraben.
So schnell, wie es kaum einer kapiert, werden Mittel und Wege gefunden werden, damit sich dieser Schaden an der Wirtschaft in verkraftbaren Grenzen halten wird.
Da können sie Gift drauf nehmen.
Rainer Thomas
Gast
Bei allem Lob: dies darf nur ein Anfang sein! Im Übrigen ist das "christlich" in diesem Verein wohl gleich dem von CDU/CSU zu werten; ist wohl "systemisch".
Abdul Rashit Aman der Dritte
Gast
JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA, endlich das ist ja wie beim Fußball. Jetzt kriegen wir diese Lohndumper per Gesetz los!
clochard
Gast
Natürlich ist es zu begrüßen, daß diese selbsternannte Interessenvertr
etung (ohne Mitgliederbasis)in die Schranken gewiesen wurde. Ob das Urteil praktische Konsequenzen hat in Form von Lohnnachzahlungen etc., das muß sich erst noch herausstellen, ich bin da skeptisch. Vermutlich wird man doch mit irgendwelchen juristischen Winkelzügen die Ansprüche großteils abwehren.
SPD/DGB brauchen übrigens das Maul nicht groß aufreissen. Die SPD hat uns das eingebrockt (Lockerung der Leiharbeit gegen angebliches equal treatment-equal pay, Abweichung davon aber durch Tarifvertrag möglich!!!!), der DGB hat pflichtschuldigst entsprechende Tarifverträge mit den Verleihern abgeschlossen, die nicht oder kaum besser sind als die Flächentarifverträge der CGZP.
Und jetzt hat es sechs!!!!! Jahre gedauert, um gerichtlich festzustellen, was ohnehin offenkundig ist, nämlich daß die CGZP keine soziale Mächtigkeit aufweist. Kaum ein Leiharbeiter hat schon mal etwas etwas von dieser "Gewerkschaft" bzw. Ihren Mitgliedsorganisationen gehört, geschweige denn, daß er dort Mitglied ist.
Die BRD ist ein Irrenhaus.
Wilhelm Achelpöhler
Gast
Die eigentliche Pointe fehlt in dem Artikel: denn auch verdi hat Tarifverträge geschlossen, die unterhalb der Löhne im Entleiherbetrieb liegen - aber etwas höher als bei den "Christlichen Gewerkschaften". "Equal pay" gibt es also für verdi-Mitglieder nicht. Wer die Löhne beim Entleiher unterbieten will, kann das also künftig nur zu verdi-Bedingungen. Würde verdi einen solchen Tarifvertrag nicht abschließen, dann würden für alle Leiharbeiter "equal pay" gelten. Konsequenz: Der Gesetzgeber muss die Möglichkeit der Unterbietung durch Tarifvertrag verbieten. In Frankreich gibts für Leiharbeiter sogar einen Aufschlag.
klaus
Gast
Christliche Gewerkschaft?
Betrügerverein trifft den Kern wohl eher