Chimanimani-Nationalpark: Wandern in Mosambik
Wer nach Mosambik reist, will die langen berühmten Sandstrände sehen. Doch das afrikanische Land versteckt einen Schatz im Hinterland.
Der steile Aufstieg beginnt gleich hinter dem Häuschen mit der senfgelben Farbe und den Palmen vor den Fenstern. Der Monte Binga streckt sich mit 2.436 Metern in den afrikanischen Himmel. Der höchste Berg Mosambiks liegt im Chimanimani-Nationalpark.
Genau dort, wo die Grenze von Mosambik und Simbabwe verläuft. Felicitas Mutinda steht in einer olivgrünen Parkrangeruniform vor der schmalen Hütte und streicht mit den Fingern über ihr Handy. An der Wand lehnt ein Gewehr.
Die zierliche Frau wartet auf den Anruf von Robert. Der Maismehlvorrat ist aufgebraucht und Mutinda besitzt keinen Wagen. Robert Gwaringa ist Taxifahrer, das nächste Bergdorf 30 Kilometer entfernt. Wer sich in diese Bergwelt verirrt, der hat vom Chimanimani-Wanderwunder gehört – oder liefert Maismehl an Ranger. Mutinda freut sich über jeden Wanderer. Besuch ist selten.
Fast könnte man heute von Hochbetrieb vor der Rangerhütte sprechen: Ein österreichisches Paar bricht gerade auf und fünf Männer aus Johannesburg sind vom Trekking zum Binga Gipfel zurückgekehrt. „Wir sind drei Tage gewandert, ganz allein“, ruft der Südafrikaner Daniel Gray vom Grill aus herüber, der dampfend vor dem Camper steht.
Reisezeit:Die Trockenzeit im Norden des Landes reicht von April bis Oktober. Die Regenzeit zwischen November und März sollte gemieden werden. Die Temperaturen schwanken im Norden nur gering.
Anreise:Lufthansa, Kenya Airways, TAP Portugal fliegen regelmäßig nach Maputo, allerdings nicht Nonstop. Eine Alternative ist ein Direktflug nach Johannesburg und Weiterflug mit der nationalen Airline LAM nach Maputo.
Einreise:Deutsche Staatsbürger benötigen ein Visum, das vor der Reise bei der Botschaft der Republik Mosambik beantragt werden sollte (Bearbeitungsdauer: 2 Wochen).
Die Kosten:30 Euro für eine einmalige Einreise.
Unterkunft: Es gibt Unterkünfte in allen Komfort- und Preisklassen in den Städten wie Maputo und Beira; in den Küstenorten und Naturparks vor allem Lodges, Ferienhäuser, Backpacker oder einfache Campingplätze.
Gesundheit: Eine Gelbfieberimpfung ist Voraussetzung für eine Einreise. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt Impfschutz gegen Hepatitis A und Typhus. Außerdem sollten Reisende sich zum Thema Malaria-Prophylaxe bei einem Tropen- oder Reisemediziner beraten lassen, denn Malaria tritt landesweit auf.
Geld: 1 Euro entspricht etwa 43.000 Metical (Stand: Oktober 2015).
Eine einfache Infrastruktur
Das Chimanimani-Gebirge steckt als Trekkingregion noch in winzigen Wanderstiefeln. Weniger als 200 Mosambik-Besucher kamen im letzten Jahr zum Wandern. Ein deutlicher Kontrast zu den hochentwickelten, aber überfüllten Wanderregionen Europas. Einfache Infrastruktur für Bergwanderer, quadratische Felsblöcke, die wie riesige Spielwürfel aussehen, kahle Äste und dichtes Gras versperren den Weg zum Aufstieg.
Um den Gipfel des Binga zu erreichen, orientieren sich die Ranger an kleinen Steinhaufen oder abgeknickten Zweigen. Das Gepäck ist leicht, der Pfad steil. Es geht nur langsam bergauf. „Da ist ein Schlafsack drin“, sagt Sabrina Evers, eine Backpackerin aus Wien, mit Blick auf ihren Rucksack. Evers hat von den zahlreichen Höhlen gehört, in denen man übernachten kann.
Im Chimanimani-Nationalpark wird in der Wildnis übernachtet, im Zelt oder einfach in einem Schlafsack. Überall dort, wo es einem gerade gefällt, wie an einer der zahlreichen Windungen des Mussape Rivers. „Wer die unberührte Natur der Berge schätzt, gern wandert und zeltet und sich auf seiner Tour selbst versorgen kann, der ist im Chimanimani-Nationalpark richtig“, sagt Anja Mann, die eine Backpacker-Lodge im Grenzort Chimoio führt und sich für nachhaltige Entwicklung in der Bergregion einsetzt.
Bislang ist Chimanimani vor allem für seine Mythen bekannt: Sie handeln von illegalen Goldsuchern, Schmugglern und Dorfbewohnern, die spurlos verschwinden. Das bislang nur so wenige Wanderer in den Bergen unterwegs sind, soll sich ändern.
Die Voraussetzungen sind gut, denn in der Chimanimani- Region kann man schon heute durch wilde Flüsse wandern, Bergsteigen oder Freiklettern. Auch eine einfache Infrastruktur ist vorhanden. Die Regierung hat ein einfaches Basiscamp in Portão eingerichtet. Trinkwasser und Feuerholz können Wanderer von der Parkverwaltung erhalten oder unterwegs auf dem Weg finden.
Das Land ist im Aufbau
Wer weiter aufsteigt zum Binga, durchstreift wilde, strohgelbe Gräser, rot blühende Aloe Vera und dann Hochplateaus mit unbegrenztem Blick hinunter auf saftige Flusstäler. Ein Esel blickt den wandernden Besuchern nach. Die politische Lage in Mosambik war bis 1992 von einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg zwischen der Regierungspartei Frente de Libertação de Moçambique (Frelimo) und der Resistência Nacional Moçambicana (Renamo), der verfeindeten Opposition, dominiert.
Nach der Wahl im Oktober 2014 hat sich die Situation politisch zwar erholt. Doch Mosambik leidet weiterhin. Durch eine schwere Überschwemmung im Januar 2015 verloren 160.000 Menschen ihre Unterkunft. Auch die Korruption setzt dem Land zu. Transparency International untersuchte für ihren Korruptions-Index 175 Länder: Mosambik wird dort an Stelle 119 geführt.
Immerhin ist Mosambik seit dem Ende des letzten Jahres vom Terror der Landminen befreit, die die Chimanimani-Region auch nach dem Ende des Bürgerkrieges noch verseuchten. „Unser neuer Präsident, Filipe Nyusi von der Frelimo, hat die Kraft das Land zu einen“, sagt Reverend Dinis Matsolo, Bischof in der Hauptstadt Maputo. Matsolo vermittelte vor der Präsidentschaftswahl zwischen Frelimo und Renamo. Viele setzen bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes auf den Präsidenten, ein ehemaliger Unternehmer, und die Gasvorkommen des Küstenstaates.
Die Ressourcen sind so gewaltig, dass sie den Weltgasbedarf für zwei Jahre allein decken könnten. Doch es ist fraglich, ob vom Gasreichtum auch die Bevölkerung profitieren wird. Denn erste Lizenzen zur Nutzung der Gasfelder wurden an asiatische Investoren vergeben. Einen nachhaltigen Bergtourismus aufzubauen, könnte daher eine Alternative sein, um das Land regional und ohne internationale Hilfe weiterzuentwickeln.
Nach dem Ende des Bürgerkrieges reisten nur wenige Besucher nach Mosambik. Die, die kamen, wollten die Katalogstrände im Süden des Landes sehen. Die Entwicklung der Infrastruktur im Norden und den Bergen wurde von der Regierung vernachlässigt. Heute ist sie keineswegs mit Bergregionen wie etwa den Alpen zu vergleichen.
Auch ein anderer Grund hindert die Entwicklung des Bergtourismus: Bergwandern hat in Mosambik keine Tradition. Mosambikaner verbinden mit einem Aufenthalt in den Bergen weder Erholung noch Abenteuer. Nur langsam reift die Vorstellung, dass die Schönheit der Bergwelt auch touristisch von Bedeutung sein könnte. Organisationen wie die NGO Kwaedza Simukai wollen genau hier ansetzen und engagieren sich in der Region Manica, um den Bergtourismus nachhaltig zu entwickeln.
Dem Wunsch einer Ausbreitung des Tourismus steht die Herausforderung des Schutzes der Natur gegenüber. Im Mittelpunkt der Bemühungen von Kwaedza Simukai stehen daher die Qualifizierung von Bergführern und die Vermittlung von Wissen über Naturschutz. In Zukunft soll dieses Wissen schon in den Schulen der Region vermittelt werden. Es ist die Hoffnung auf eine neue Generation junger Menschen, die im Einklang mit der Natur aufwächst und sie als ihre Lebensgrundlage versteht und schützt.
Zum Umdenken anregen
Die NGO bietet dazu Wanderungen an und übernimmt die Ausbildung von Bergführern. Auch Menschen wie Anja Mann tragen zu einer Entwicklung bei: „Wir helfen unseren Gästen, Bergtouren zu organisieren oder Aufenthalte bei Gastfamilien in den Bergen zu vermitteln“. Sie wolle die Menschen zum Umdenken anregen. Den Zusammenhang sehen, dass Europas Reichtum zum Teil auf der Armut der Menschen in Regionen wie Chimanimani aufgebaut ist, dies sei auch über Tourismus möglich, sagt Mann.
So warten sie in Mosambik weiter. Felicitas Mutinda erwartet schon bald mehr Besucher in der einsamen Chimanimani Gegend.
Als die Sonne beginnt zu sinken, wird Mutindas Lachen aber unruhiger. Von Robert und frischem Maismehl fehlt weiterhin jede Spur.
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