: Chile–Kritik: Zimmermann sauer
■ Der Innenminister fühlt sich übergangen / Er sieht noch immer keine „Hinweise auf Folter“ / Brief an Außenminister Genscher / Blüm nennt seine Chile–Reise „Demonstration für Menschenrechte
Bonn (ap) - Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann hat eine neue Runde im Koalitionsstreit um die Aufnahme von 14 chilenischen Regimegegnern eingeläutet, denen in ihrem Heimatland die Todesstrafe droht. Die Bonner Tageszeitung Die Welt veröffentlicht in ihrer heutigen Ausgabe einen Brief Zimmermanns an Außenminister Hans–Dietrich Genscher, in dem der CSU–Politiker scharfe Kritik am Verhalten des FDP–geführten Auswärtigen Amts in dieser Frage übt. Der Protestbrief, den Zimmermann dem Zeitungsbericht zufolge ausdrücklich auch Bundeskanzler Helmut Kohl zur Kenntnis gab, bezieht sich auf Äußerungen von Genschers Staatssekretär Jürgen Sudhoff gegenüber dem chilenischen Botschafter in Bonn vom 17. Juli. Dabei hatte Sudhoff unter anderem von „sicheren Hinweisen“ auf die Anwendung von Folter bei den 14 Chilenen gesprochen (die taz berichtete). Zimmermann betonte dagegen, daß ihm bislang keine „sicheren Hinweise“ auf die Folter zur Kenntnis gelangt seien. Er habe Sudhoffs Äußerungen „mit Befremden“ zur Kenntnis genommen. Daß der Staatssekretär im Gespräch mit dem chilenischen Botschafter die Aufnahmezusage der Länder Hessen, Hamburg, Bremen, Nordrhein–Westfalen und des Saarlands erwähnt habe, erwecke zudem den Eindruck, die Bundesregierung habe sich ihrerseits zur Aufnahme bereiterklärt. „Dies steht im Widerspruch zu den Beschlüssen des Bundeskabinetts am 24. Juni, wo festgestellt worden ist, daß ein Entscheidungsbedarf gegenwärtig nicht gegeben ist, weil es noch kein rechtskräftiges Urteil gibt“, schrieb Zimmermann dazu. Außerdem seien nicht alle Aufnahmeerklärungen der Bundesländer ohne Einschränkung erfolgt. „Herr Dr. Sudhoff hat für sich in Anspruch genommen, für die Bundesregierung zu sprechen. Dagegen lege ich Verwahrung ein“, heißt es in dem Schreiben des Innenministers. Führende FDP–Politiker, aber auch Mitglieder der CDU, hatten sich im Gegensatz zu den von Zimmermann geltend gemachten Sicherheitsbedenken für eine Aufnahme der 14 Chilenen in der Bundesrepublik ausgesprochen. In diesem Sinne äußerte sich auch Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU), der heute eine von ihm selbst als „Demonstration für die Menschenrechte“ bezeichnete Reise nach Chile antritt.
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