Chile: Pinochets Familie verhaftet
Verdacht auf Veruntreuung öffentlicher Gelder: 20 Personen aus dem Umfeld des Ex-Diktators Pinochet wurden verhaftet - darunter seine Witwe und Kinder.
BUENOS AIRES taz Die chilenische Polizei hatte alle Hände voll zu tun. Bundesrichter Carlos Cerda hatte am Donnerstag die sofortige Festnahme der Witwe des ehemaligen Diktators Augusto Pinochet und seiner fünf Kinder angeordnet. Lucía Hiriart und den Kindern wird die "Veruntreuung öffentlicher Gelder" vorgeworfen. Doch damit nicht genug. Insgesamt hatte der Richter gegen 23 Personen des Pinochet-Clans Haftbefehl erlassen. Darunter gegen vier ehemalige Generäle, Pinochets langjährige Sekretärin Monica Ananias und einen seiner Anwälte. Am Abend waren bis auf vier alle in Haft.
Dabei geht es nicht um Menschenrechtsverbrechen sondern schlicht darum, wie der Clan sein Vermögen angehäuft hat. Nach wie vor ist die Herkunft eines Vermögens von knapp über 20 Millionen US-Dollar ungeklärt. Für das Geld "findet sich keine begründete Rechtfertigung und alles lässt darauf schließen, dass diese im öffentlichen Haushaltfonds zu finden ist, der für den Präsidenten, für das Militärhaus und die Kommandantur des Armeechefs vorgesehen ist," so Richter Cerda in seiner 60-seitigen Begründung. Das so genannte "Casa Militar" hatte Pinochet im Präsidentenpalast zur Verwaltung der öffentlichen Finanzmittel für das Präsidialamt eingerichtet.
Für die chilenische Regierung ist die Angelegenheit ein juristischer Vorgang. Regierungssprecher Ricardo Lagos Weber sagte, "wir haben es mit einer Entscheidung zu tun, die die Justiz getroffen hat." Der chilenische Staat müsse jedoch dafür Sorge tragen, dass die Justiz ihre Arbeit tun kann, so Lagos. Präsidentin Michelle Bachelet kommentierte: "Niemand in Chile soll glauben, er müsse der Anordnungen der Justiz nicht Folge leisten oder stehe gar über dem Gesetz."
Richter Cerda hatte nach gerechnet, dass der Alleinverdiener Pinochet von 1973 bis 2003 etwas über 2 Milliarden Pesos erhalten habe. Jedoch hatte das Ehepaar Augusto und Lucía im selben Zeitraum Ausgaben von 6,3 Milliarden Pesos. Woher also kamen die zusätzlichen rund 4 Milliarden. "Die Differenz wurde mit dem Geld aufgefüllt, das aus dem Haushalt des Präsidentenamtes, des Militärhauses und der Kommandantur des Armeechefs zunächst außer Landes geschafft und später wieder zurückgeführt worden war," so Carlos Cerda.
Die Ermittlungsergebnisse des Richters rühren aus den Untersuchungen, die mit dem Auftauchen von geheimen Auslandskonten des Clans bei der US-amerikanischen Bank Riggs, eingeleitet worden waren. Die Konten, teil unter falschen Namen, bei der Riggs Bank waren seit 2002 bekannt. Damals versuchte die Bank noch, deren Existenz durch mehrere Transaktionen zu verschleiern. Richtig ins Rollen kam die Angelegenheit als eine Untersuchungskommission des US-Senat im Juli 2004 die Existenz der Konten offiziell bekannt gab. Noch im selben Monat nahm die chilenische Justiz die Ermittlungen auf. Im Oktober 2005 schätzte die chilenische Justiz in einem Bericht die Summe, der über die Konten geflossenen Gelder auf 28 Millionen US-Dollar.
Pinochet wurde mehrfach verhört, seine Immunität als Senator auf Lebenszeit für diesen Fall aufgehoben, und ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung, Passfälschung und falscher Vermögensangaben gegen ihn, seine Familie und seine engsten Mitarbeiter eingeleitet. Der Ex-Diktator selbst wurde unter Hausarrest gestellt. Vor Gericht erschien der Ex-Diktator jedoch nie. Am 10. Dezember 2006 war er im Alter von 91 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.
Die Ermittlungen gegen den Pinochet-Clan gingen jedoch weiter. Der Vorwurf der Beihilfe und Mittäterschaft wegen Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung endete nicht mit dem Tod des Generals. Als die Verfahren auf Anordnung des Oberste Berufungsgericht Chiles Anfangs 2007 eingestellt wurden, ermittelte Richter Carlos Cerda bereits wegen der Veruntreuung von öffentlichen Geldern. Am Donnerstag stellte er einen 23-fachen Haftbefehl aus.
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