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Chemische Keule ist Standard

In Costa Rica führt das flächendeckende Versprühen von Pestiziden auf Bananen- plantagen zu Unfruchtbarkeit und Erbfolgeschäden  ■ Von Thomas Zimmermann

Außer vier Meter hohen Bananenpflanzen wächst nichts auf den staubigen Feldern der Standard Fruit Company am Rio Frio im Nordosten Costa Ricas. Die Stauden überragen alles in der Umgebung, auch den Unterstand an der Bushaltestelle, den der Bananenmulti seinen ArbeiterInnen zum Schutz gegen die heftigen Regenfälle im atlantischen Tiefland spendiert hat. Das Markenlogo „Dole“ ziert die Dachverkleidung des Häuschens – es suggeriert Frische, Leben, Fruchtbarkeit: eine strahlende Sonne im Zentrum, rechts daneben die Botschaft: „Harmonie, Solidarität, Frieden“.

Kein größerer Kontrast hätte den Image-Experten des US-Multis inmitten des ewiggrünen, monokulturellen Bananenmeers in den Sinn kommen können. Einziger Farbtupfer neben der grellen „Dole“-Sonne am Dach des Wartehäuschens sind blaue, insektizidimprägnierte Plastikbeutel, mit denen die Fruchtstaude umhüllt wird, um sie vor gefräßigem Kleingetier und Vögeln zu schützen.

Etwa jede vierte in Deutschland verkaufte Banane wächst in Costa Rica, großgezogen unter Aufbietung des gesamten chemischen Arsenals an Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Weil die Banane eine widerstandsfähige Frucht ist, erreicht sie die VerbraucherIn weitestgehend rückstandsfrei. Den Preis für das chemische Bombardement bezahlen Mensch und Umwelt im Erzeugerland.

„Ich nenne es einen Skandal, daß Firmen wie Shell oder Bayer Pestizide nach Costa Rica verkaufen, die in den USA oder in Deutschland verboten sind“, klagt Oscar Fallas von der costaricanischen Umweltvereinigung AECO. Auf die Frage nach den eingesetzten chemischen Mitteln antwortet Marta Maitles, stellvertretende Pressesprecherin im Standard- Fruit-Hauptquartier in Los Angeles: „Es ist firmenpolitisch unüblich, über die verwendeten Chemikalien jemandem anders Auskunft zu erteilen als den zuständigen Regierungen und Behörden.“

Ohne Schutzkleidung – sie würde die Feldarbeit in den Tropen unmöglich machen – und über Jahre den Giften aus der Luft ausgesetzt, führt das flächendeckende Versprühen der Pestizide Nemagon (Hersteller: Dow Chemical und Shell Oil) und Nemacur (Hersteller: Bayer AG) bei den ArbeiterInnen zu Sterilität, Früh- und Fehlgeburten, Erbfolgeschäden und Leukämie. Angesprochen auf die gegen Standard Fruit angestrengte Klage von rund 8.000 ehemaligen Beschäftigten, die Schadenersatz wegen des Einsatzes von Nemagon und den daraus resultierenden Gesundheitsschäden fordern, antwortet Peter Gilmore, Chef der „Dole“-Bananenproduktion in Costa Rica: „Das ist Sache der Anwälte. Ich kann nur soviel sagen, daß wir in Costa Rica und Honduras niemals Chemikalien verwendet haben, die in den USA verboten sind.“

Unmittelbar beeinträchtigt ist insbesondere das vegetative Nervensystem. Die ArbeiterInnen klagen über Atembeschwerden, Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen, zitternde Glieder und Verdauungsprobleme. Standard Fruit zeigte sich zwischenzeitlich zu einer Art Teilgeständnis bereit, als sich die Firma mit verschiedenen Plantagenarbeitern außergerichtlich einigte und einmaligen Schadenersatz in Höhe von 7.000 bis 14.000 US-Dollar leistete. Allerdings wenden sich die costaricanischen Bananengewerkschaften gegen diese Vergleiche, weil die Betroffenen damit ihr Recht verwirken, jemals wieder in dieser Sache gegen den Bananenmulti vorzugehen – unabhängig davon, welche Folgeschäden in den nächsten Jahren offenkundig werden.

Neben den ArbeiterInnen leiden auch der Boden und die angrenzenden Ökosysteme unter der chemischen Keule. Die Böden sind nährstoffarm und überdüngt. Um den Pflanzen ein paar Wachstumsstoffe zu geben, bedarf es weiteren Düngers. Die sensiblen Naturparks, für deren Errichtung Costa Rica weltweit Lob empfängt, liegen, wie im Falle von Tortuguero an der Atlantikküste, direkt im Einzugsgebiet der Plantagen. Flüsse verteilen die Chemikalien und Plastiksäcke in die geschützten Bereiche. Der Bananen-Sondermüll bedroht die Pflanzenvielfalt in den Parks und gefährdet Arten, deretwegen die Parks errichtet wurden, wie etwa in Tortuguero die Meeresschildkröten.

Daß die Banane auch unter anderen Bedingungen gedeiht, beweist seit über zwei Jahren ausgerechnet ein Deutscher – am Rio Sixaola, in Grenznähe zu Panama. Auf Volker Ribnigers Plantage, hundert Hektar klein, steht das „Unkraut“ in voller Pracht. Heuschrecken, Schmetterlinge, Käfer und anderes Kleingetier tummeln sich zwischen den Stauden. Die selbst bei ökologisch korrektem Anbau notwendigen Plastiksäcke werden wiederaufbereitet, organischer Abfall kommt auf den Acker zurück, Pflanzenschutzmittel sind hier tabu. Nur Fungizide (gegen Pilzbefall) verhindern, daß sich die Früchte nach dem Ernten schwarz verfärben, ohne zwischendurch zum gewohnten Gelb zu reifen.

Lenin Corrales, Projektdirektor der „Fundacion Ambio“, die zusammen mit der US-Umweltgruppe „Rainforest Alliance“ ein „ECO-OK“-Programm für den Bananenanbau aus der Taufe hob und Ribniger als erstem und bisher einzigem dieses Siegel verlieh, nennt diese Richtlinien „Kompromisse zwischen idealen Umweltnormen und den technischen Möglichkeiten tropischer Landwirtschaft“. Geschmacklich kann die VerbraucherIn die „ECO-OK“- Banane zwar nicht von herkömmlicher „Dole“-Ware unterscheiden. Aber die ArbeiterInnen auf Ribnigers Plantage leben mit dem monokulturellem Umweltkompromiß zumindest gesünder.

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