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Chef über 80.000 MoscheenReligionsamt-Chef tritt zurück

Der Chef des staatlichen Religionsamtes in der Türkei hat hingeschmissen. Doch der Abgang des einflussreichen Theologen scheint nicht freiwillig gewesen zu sein.

Ihr ist der oberste Chef abhanden gekommen: Die blaue Moschee in Istanbul. Bild: dapd

ISTANBUL taz | Überraschend hat am Donnerstag der Chef des staatlichen Religionsamtes Dianet, der Theologe Ali Bardakoglu, seinen Rücktritt erklärt. Sieben Jahre im Amt seien genug, meinte Bardakoglu vor Journalisten, er wolle sich jetzt wieder mehr der Forschung widmen. Sein Nachfolger soll der bisherige Stellvertreter im Amt, der Theologe Mehmet Görmes, werden.

Dieser Wechsel könnte weitreichende Folgen haben. Das Dianet ist die staatliche Aufsichtsbehörde über alle 80.000 Moscheen im Land und auch der Arbeitgeber der dort angestellten Imame. Der Chef dieser Behörde, die dem Premier untersteht, hat deshalb erheblichen Einfluss auf die Ausübung des Islams in der Türkei. Ali Bardakoglu steht für eine tolerante Haltung und hat in jüngster Zeit mit einigen Äußerungen Furore gemacht, die der regierenden AKP nicht gefallen haben dürften. Beobachter vermuten deshalb, dass Bardakoglus Abgang nicht freiwillig war, sondern dass er von Ministerpräsident Erdogan geschasst wurde.

So hatte er der liberalen Tageszeitung Radikal erst vor wenigen Tagen gesagt, ob eine Frau ein Kopftuch trage oder nicht, sei nicht dafür entscheidend, ob sie eine gute Muslima sei. Für Ärger hatte auch gesorgt, dass er vor dem in der kommenden Woche beginnenden Opferfest angeregt hatte, man könne auch Geld für die Armen spenden, anstatt zu schlachten.

Auch zur Rolle seiner eigenen Behörde hat Bardakoglu eine kritische Position. Da das Dianet staatlich ist und praktisch ausschließlich den vorherrschenden sunnitischen Islam unterstützt, fühlen sich Aleviten, aber auch die christlichen Gemeinden diskriminiert, da der vermeintlich laizistische Staat eine Gruppe bevorzugt. Bardakoglu gab zu verstehen, es wäre besser, wenn Dianet autonom wäre.

International bekannt geworden war Ali Bardakoglu, als er mit Benedikt XVI. bei dessen Besuch in der Türkei einen öffentlichen Disput führte. Der Papst hatte vor seiner Reise mit dem Zitat eines byzantinischen Kaisers über die Schlechtigkeit des Islams für Furore gesorgt und wurde von vielen Muslimen deshalb sehr kritisch empfangen. Im Gegensatz dazu hat Bardakoglu stets zu mehr Toleranz auch gegenüber dem Christentum gemahnt. Er begrüßte die Gottesdienste im griechisch-orthodoxen Sümela-Kloster und in der Paulus-Kirche in Tarsus. Christen sollten genau wie Muslime ihre Religion ausüben können. So viel Liberalität war der Regierung nun offenbar zu viel.

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4 Kommentare

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  • L
    Lucia

    Von Kopftuch -Propagandisten wie taz-Kolumnistin Kübra Yücel wird gern betont, das mit dem Tuch sei alles völlig freiwillig.

    Nun erfahren wir von der türkischen Zeitung „Milliyet“, daß

     

    "...Der oberste türkische Religionswächter Ali Bardakoglu muss überraschend sein Amt aufgeben...

     

    Bardakoglu habe der Regierung im Kopftuch-Streit eine klare Position verweigert, indem er erklärte,

     

    das Kopftuch sei für muslimische Frauen keine religiöse Pflicht, sondern eine persönliche Entscheidung...":

    http://www.welt.de/politik/ausland/article10865652/Oberster-tuerkischer-Religionswaechter-muss-abtreten.html

     

    Es ist bekannt, daß Erdogan sich vehement für das Kopftuch einsetzt.

    Er ist der oberste Vorgesetzte des deutschen Diyanet-Ablegers DITIB.

    Man kann sich nun ausmalen, was in deren Moscheen gelehrt wird, und was die Familien ihren Töchter "empfehlen".

     

    Der offizielle staatlichen Rechtsgutachter Ägyptens, Dr. Ali Jumaa geht noch weiter, und erklärt den Gesichtsschleier für Pflicht:

     

    "...Derjenige der behauptet, der Gesichtsschleier sei nicht im islamischen Gesetz [arab. Scharia] vorgeschrieben, sondern sei eine osmanische Tradition oder ähnliches, der redet Unsinn...":

     

    http://www.islaminstitut.de/Nachrichtenanzeige.4+M54e9c688cdb.0.html

     

    In dem "Papst-Zitat" ging es nicht um "die Schlechtigkeit des Islams". Dies wurde von fundamentalistischen Kreisen gezielt mißverstanden:

     

    "...er bediente sich dessen ( des Textes des byzantinischen Kaisers ), um daraus in einem akademischen Kontext...

    einige Reflexionen zum Verhältnis von Religion und Gewalt im Allgemeinen zu entwickeln. Diese Überlegungen

    mündeten in eine entschiedene Zurückweisung von religiösen Motivationen von Gewalt, woher auch immer sie kommen.“

    so Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone (Wiki).

  • U
    Ursula

    Sehr mysteriös verfasst. Soll hier dem Leser suggeriert werden, die Türkei sei auf dem nächsten Schritt zur "islamisierung"? Haben geheime Mächte etwa Bardakoglu abgesetzt?

     

    Schon mal recherchiert wer Mehmet Görmez ist? Kein Unterschied.

     

    Wechsel und Reform in der Türkei kann wohl immer nur ein Ausrutscher in die Radikalität bedeuten, oder?

    Vorsicht, nicht dass wir einem unbewussten Spin unterliegen...

  • N
    Neo

    Aber Herr Gottschlich, ein wenig mehr Recherche bitte. Es ist doch viele Monate her, da hatte Herr Bardakoglu seinen baldigen Rücktritt angedeutet. Er wolle nach sieben Jahren nicht an seinem Stuhl festkleben bleiben, daran könnten sich mal deutsche Politiker ein Beispiel nehmen, und das Frauen mit Kopftuch nicht unbedingt bessere Muslime seien hat erst kürzlich Ministerpräsident Erdogan wiederholt.

     

    Nun zu dem Grund des türkischen Kopftuchstreites:

    In der Türkei versucht seit Jahrzehnten eine Minderheit von aggressiven und repressiven "Laizisten" Millionen von Frauen mit Kopftuch vom Studium und beruflichem Aufstieg fernzuhalten. Sie würden ja dem alten Establishment zur gefährlichen Konkurrenz werden. Dieses muss natürlich verhindert werden, wer will schon mehr Konkurrenz und das auch noch von diesen in ihren Augen verachtenswerten anatolisch-schwarzen Türken.

     

    Je demokratischer und rechtstaatlicher die Türkei wird, desto größer die Möglichkeit für die Frauen mit Kopftuch ein Leben mit Grundrecht auf Bildung, gesellschaftlicher Teilhabe, Erfolg und Anerkennung zu verwirklichen.

  • MH
    Meike H.

    "Die Demkratie ist nur der Zug, den wir benutzen, bis wir am Ziel sind", hat Erdogan gesagt, was so ähnlich in Deutschland vor run 80 Jahren auch jemand gesagt haben könnte und tatsächlich so gemacht hat.