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■ Charlotte Höhn beklagt sich und verklagt die tazKein Wort der Entschuldigung

Charlotte Höhn ist sicher, bald wieder auf ihrem Posten als Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zu sitzen. Triumphierend verweist sie vor Wiesbadener Publikum auf den ihr bereits bekannten Inhalt des Gutachtens über ihre wissenschaftliche Tätigkeit – nichts, nichts könne man ihr nachweisen.

Höhn hat Schaden angerichtet. In der gesamten Debatte um ihre Äußerungen hat sie nicht fertiggebracht, was – wenn sie wirklich mißverstanden worden wäre – das logischste gewesen wäre: Höhn hätte sich schlicht entschuldigen müssen. Den Sturm der Entrüstung hat sie selbst provoziert, nicht die taz, die jetzt von ihr verklagt wird. Es waren ihre Äußerungen, pur, die den SPD-Abgeordneten Freimut Duve dazu brachten, sie eine „Erbin Hitlers“ zu nennen. Es waren ihre Äußerungen, pur, die die afrikanischen Delegierten der Weltbevölkerungskonferenz als Beleidigung empfanden. Statt sich zu entschuldigen, schimpfte Höhn auf die Interviewerinnen und die taz, „in abscheulicher Weise“ geschehe ihr Unrecht. Statt zuzugeben, mit ihren Äußerungen danebengelegen zu haben, will sie gerichtlich feststellen lassen, daß sie nicht gemeint hat, was sie gesagt hat. Bis heute hat sie nicht gemerkt, worum es in der Debatte geht. Ihre Unterscheidung lautet: Es schadet mir oder nutzt mir, ihr ganzes Interesse gilt der eigenen Karriere.

Die Entscheidung darüber liegt jetzt beim Bundesinnenminister als Dienstherrn des Bundesinstitutes. Was dabei erschreckt: Fast die gesamte wissenschaftliche Community schweigt. Niemand ist bereit, für oder gegen Höhn in die Bütt zu steigen oder gar zur Sache Stellung zu nehmen. Da äußert sich eine deutsche Wissenschaftlerin über die niedrige Intelligenz der AfrikanerInnen, kurz danach schwappt aus den USA die Debatte über „IQ and Race“ nach Deutschland herüber, bei deutschen Nichtregierungsorganisationen treffen wieder mehr Briefe ein, daß „die dummen Nigger sich doch sowieso nur vermehren können“ – und an dem Punkt, wo mit klaren Worten Position bezogen werden müßte, warten alle ausgerechnet auf Kanthers Innenministerium. Was nach dessen Entscheidung passiert, ist abzusehen: Wird Höhn rehabilitiert, geht alles weiter wie gehabt. Wird sie fallengelassen, wenden sich alle ganz schnell von ihr ab. Als ob ein disziplinarrechtliches Verfahren jemanden aus der Verantwortung entlassen könnte, einen politischen Standpunkt zu beziehen.

Die freie Wissenschaft, die Höhn ein ums andere Mal beschworen hat, ist so frei offenbar nicht – die Angst, aufs falsche Pferd zu setzen, bestimmt den Diskurs. Bernd Pickert

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