Chaos bei der S-Bahn: S-Bahn fährt aufs Abstellgleis
Die deutsche Bahn will aufklären, warum die S-Bahn ihre Züge nicht ausreichend wartet. Betriebsrat und Politik sehen die Ursache im Profitdenken.
Jetzt greift die Mutter ein. Weil Sicherheitsprüfungen bei der Berliner S-Bahn versäumt wurden und wegen des daraus resultierenden Chaos auf vielen S-Bahn-Linien (siehe unten) hat die Deutsche Bahn (DB), staatseigener Mutterkonzern der S-Bahn, für diesen Donnerstag eine Sondersitzung des S-Bahn-Aufsichtsrats einberufen. "Die momentanen Einschränkungen sind ebenso wenig hinnehmbar wie die unzureichende Umsetzung der Vorsichtsmaßnahmen", sagte Bahnvorstand Ulrich Homburg und versprach eine "lückenlose Aufklärung".
Nachdem das Eisenbahn-Bundesamt am Montagabend kurzfristig die technische Prüfungen an fast 200 Zügen angeordnet hatte - knapp ein Drittel der gesamten Flotte -, herrscht bei der S-Bahn seit Dienstagmorgen Chaos. Die meisten Linien fahren nur im 20-Minuten-Takt, einige fallen komplett aus. Für Donnerstag kündigte die S-Bahn noch Behinderungen an, diese sollen aber nicht mehr so umfangreich sein wie in den vergangenen Tagen.
Für den Betriebsratsvorsitzenden der Berliner S-Bahn ist der Fall klar: "Schuld an der Misere sind die völlig überzogenen Gewinnerwartungen der DB", sagte Heiner Wegner am Mittwoch der taz. Allein 2008 wurde der gesamte Gewinn von 56 Millionen Euro auf den Mutterkonzern übertragen. Das jetzige Chaos sei nur die logische Konsequenz des Rationalisierungskurses. Drei von sechs Werkstätten seien in den letzten Jahren geschlossen worden, immer mehr Personal wurde abgebaut. Eigene Investionen seien nicht mehr möglich. "Wir sind so gar nicht mehr in der Lage, die Fristen für die Wartungen einzuhalten, die das Eisenbahn-Bundesamt uns vorgeschrieben hat", so Wegner.
Auch politisch gerät die S-Bahn zunehmend in die Kritik. "Es ist eine Sauerei, dass an der Sicherheit der Fahrgäste gespart wird", sagte Claudia Hämmerling, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Statt auf Qualität und Sicherheit setze die Geschäftsführung auf Rendite. "Dass am 1. Mai niemand zu Schaden gekommen ist, war reiner Zufall", sagte Hämmerling. In Kaulsdorf war vor zwei Monaten eine S-Bahn des jetzt vom Eisenbahn-Bundesamt bemängelten Typs entgleist. Darauf hatte das Amt die Bahn verpflichtet, die betreffenden Züge einmal pro Woche zu warten - was offenbar nicht immer geschehen ist.
Ähnlich äußerten sich FDP und CDU. Selbst Verkehrssenatorin Junge-Reyer (SPD) ist verärgert. Ihre Sprecherin erklärte, man sehe mit Schrecken, dass die S-Bahn viel zu viel Geld aus dem Unternehmen abziehe und zu wenig in die Sicherheit investiert werde. Derzeit werde geprüft, ob weitere Strafzahlungen oder gar eine vorzeitige Vertragskündigung vor 2017 möglich sei.
Die Grünen-Politikerin Hämmerling forderte auch personelle Konsequenzen. S-Bahn-Chef Tobias Heinemann habe "sein Vertrauen verspielt, gelogen und betrogen". Den Senat forderte sie zur Kündigung des laufendes Vertrags und einer vorzeitigen Neuausschreibung auf. Die S-Bahn selbst äußerte sich am Mittwoch nicht näher zu den Vorfällen und verwies auf die Sondersitzung des Aufsichtsrats.
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