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Chancen für Frauen in Männerberufen

■ Verfassungsgericht korrigierte Arbeitsgerichte / Männer dürfen nicht bevorzugt eingestellt werden

Karlsruhe (taz/AP) – In typischen Männerberufen dürfen Bewerberinnen nicht mit dem nachgeschobenen Hinweis auf die längere Berufserfahrung bevorzugter männlicher Bewerber abgewiesen werden. Das Bundesverfassungsgericht veröffentlichte am Mittwoch eine Entscheidung, wonach die Berufserfahrung nur dann den Ausschlag gibt, wenn sie schon in der Stellenausschreibung gefordert worden war oder wenn sich die Anforderungen nachträglich geändert haben.

Im entschiedenen Fall hatte sich eine Frau als Maschinenschlosserin beworben, die nach einem Lehramtsstudium ihre Lehre gerade erst beendet hatte. Um die Stelle hatten sich etwa 40 weitere Bewerber bemüht. Entgegen dem ursprünglichen Bescheid waren nicht alle Bewerber, sondern nur acht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Die weibliche Bewerberin gehörte nicht dazu. Eingestellt wurden schließlich zwei männliche Bewerber. Auf ihre Nachfrage wurde ihr mitgeteilt, die ausgeschriebene Tätigkeit sei für eine Frau ungeeignet.

Die abgewiesene Bewerberin klagte darauf beim Arbeitsgericht auf Einstellung, hilfsweise auf Schadenersatz in Höhe von sechs Monatslöhnen. Die Klage wurde sowohl vom Arbeitsgericht als auch vom Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main abgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde der Bewerberin statt. Die Karlsruher Richter beanstanden besonders, daß das Arbeitsgericht das erst im Prozeß nachgeschobene Argument der längeren beruflichen Erfahrung anerkannt hat. Ein nachgeschobener Grund könne nur dann anerkannt werden, wenn besondere Umstände erkennen ließen, daß er nicht nur vorgeschoben sei – etwa dann, wenn sich die Stellenanforderungen während des Einstellungsverfahrens geändert hätten. Andernfalls könnten sich Arbeitgeber in nahezu jedem Fall durch „sachliche Gründe“ entlasten, weil er die Anforderungen für eine bestimmte Stelle grundsätzlich nach seinem Belieben festlegen dürfe. Gerade in bisher typischen Männerberufen hätten Frauen praktisch keine Chancen, wenn nachträglich auf längere Berufserfahrung abgestellt würde. Das Landesarbeitsgericht muß den Fall jetzt erneut entscheiden. Ob der abgewiesenen Bewerberin eine höhere Entschädigung zusteht als den bisher vom Gesetz vorgesehenen Ersatz ihrer Unkosten, ließ das höchste Gericht offen. (AZ: Bundesverfassungsgericht 258/86)

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