Champions League: Dolch unter Sparschälern
Beim 1:2 von Werder Bremen bei Real Madrid bringt Diego seine Gegenspieler zum Staunen. An gleichwertigen Spielpartnern fehlt es ihm indes.
MADRID taz Nach dem Spiel herrscht verkehrte Welt. Die einzige Cervezeria am Stadion wird von feiernden Bremern belagert, und aufmunternde Journalisten versuchen in der Mixed-Zone enttäuschten Spielern Frohsinn einzureden. Keine Chance. "Wir stehen mit leeren Händen da, das ist bitter", sagt Per Mertesacker, der sich nach der 1:2-Niederlange bei Real Madrid am längsten Zeit für die Nachfragen nimmt.
Champions League, 1. Spieltag:
Gruppe A:
FC Porto - FC Liverpool 1:1, Olympique Marseille - Besiktas Istanbul 2:0
Gruppe B:
FC Chelsea - Rosenborg Trondheim 1:1, FC Schalke 04 - FC Valencia 0:1
Gruppe C:
Real Madrid - Werder Bremen 2:1, Olympiakos Piräus - Lazio Rom 1:1 (0:0)
Gruppe D:
AC Mailand - Benfica Lissabon 2:1, Schachtjor Donezk - Celtic Glasgow 2:0
Uefa-Cup, 1. Runde, Hinspiel:
Litex Lowetsch - Hamburger SV 0:1
Während die grün-weiße Reisegesellschaft noch nach Worten für das eben Gesehene ringt, bringt ein spanischer Journalist mit einer einzigen klugen Frage das ganze Dilemma der Bremer auf den Punkt: "Warum ist es Ihnen nicht gelungen, die überragende Effektivität von Diego besser auszunutzen, Herr Schaaf?" Volltreffer! In der Tat wirkte der Bremer Spielmacher über neunzig Minuten wie der Dolch des Kalifen unter lauter stumpfen Kartoffelschälmessern.
Alle sind sich einig: Da war mehr drin. Bis auf jeweils eine zehnminütige Druckperiode in jeder Halbzeit waren die Bremer gleichwertig und hatten dabei oft erstaunlich viel Raum in Reals Hälfte, die vor allem Diego für zahlreiche gute Aktionen nutzte. "Da waren einige gute Dinge dabei", sagt Thomas Schaaf und zeigt damit gleichzeitig ein Problem auf. War Bremens Spiel in Glanzzeiten aus einem Guss gefertigt, so blieb gestern vieles Stückwerk. Sichere Kombinationen und versprungene Bälle, kluge Pässe und Flanken ins Niemandsland lösten sich in schöner Regelmäßigkeit ab.
Anders Real: Das Team von Bernd Schuster begann zwar sehr gemächlich und verkrampft, hielt aber immer seine spielerische Linie, steigerte sich in jeder Halbzeit kontinuierlich, bis Werder eingeschnürt war. In der ersten Halbzeit gelang es noch selten, "das Messer mit der Geschwindigkeit des Lichts in den Leib des Gegners zu bohren", wie Extrainer und Fußball-Philosoph Jorge Valdano vor dem Spiel prophezeit hatte.
Die Bremer positionierten ihre Abwehrkette als Reaktion auf die Klatschen gegen Dortmund und Bayern tiefer als üblich. So fiel der Angriff zum Führungstreffer durch Raul in der 16. Minute nicht nur aus heiterstem Himmel, sondern fast atypisch nach einer Vorbereitung über außen. Genauso ungewöhnlich für den Spielverlauf war, dass Diego an Werders Ausgleich durch Sanogo 97 Sekunden später lediglich als vorletzter Vorbereiter beteiligt war.
In der entscheidenden Spielphase zwischen 65. und 75. Minute standen Reals Vollstrecker dann aber im Zweiminutentakt frei vor Tim Wiese, der sich gemäß der alten Spruchweisheit "Dreimal ist Bremer Recht" erst beim vierten Versuch von Ruud van Nistelroy überwinden ließ. "Die haben sich sehr viel bewegt, und wir mussten uns immer wieder neu stellen, das war nicht einfach", analysiert Per Mertesacker zu später Stunde und lässt keinen Zweifel daran, wo das Spiel verloren wurde. "Bei den Kontern waren wir nicht clever genug, da hätten wir auch mal einen Stich setzen sollen."
Doch außer Diego war nicht viel. Sogar Ruud van Nistelrooy schnalzt da mit der Zunge: "Er hat eine Balance in seinen Bewegungen, eine Schnelligkeit, eine Ballkontrolle. Das ist einfach toll. Er war heute der beste Spieler auf dem Platz."
Thomas Schaaf erklärt das Gefälle in der Mannschaft mit der Trainingspause nach der Länderspielwoche und Klaus Allofs versucht es gar zuzuschütten: "Die anderen ermöglichen doch erst, dass Diego so viel Einfluss nehmen kann." Dennoch wird immer deutlicher, dass die zweite Reihe der wieder "ohne sieben" angetretenen Bremer den ganz hohen Ansprüchen nicht genügt. Und dass Diego irgendwann gleichwertige Spielkameraden braucht.
Bernd Schuster, der bei der Pressekonferenz bewies, dass er seine etwas spärlicher gewordenen Mähne nach gelungenen Situation immer noch so bohemehaft schütteln kann wie als Spieler, leistete sich den Luxus, Robinho und Robben erst eine Viertelstunde vor Schluss zu bringen. Das bis auf ein paar hundert Ultras sehr zurückhaltende Madrider Publikum reagierte auf die Einwechslungen fast frenetischer als auf die Tore. Auch das hat Stil. In den Ohren der doch arg limitierten Bremer klang das wie: "Guckt mal, was wir noch alles in der Garage haben!"
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