: Ceausescu läßt Ungarn abblitzen
■ Ungarn protestiert gegen militärische Drohung und Behandlung der Minderheit in Siebenbürgen / Ceausescu weiß von nichts: „Nationalitätenfrage bestens geregelt“ / „Stürmisches Treffen“
Budapest (dpa) - Die Beziehungen zwischen Rumänien und Ungarn haben einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nach einem „in stürmischer Atmosphäre verlaufenen“ Treffen von Spitzenpolitikern beider Seiten am Rande des Warschauer-Pakt -Gipfels in Bukarest berichtete am Sonntag die ungarische Nachrichtenagentur 'mti‘, Budapest habe in scharfer Form gegen die militärischen Drohungen Rumäniens gegen Ungarn und gegen die Verschlechterung der Lage der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen protestiert. Der eineinhalbstündige Meinungsaustausch habe auf Initiative Rumäniens stattgefunden. „Wir waren uns nur darüber einig, daß eine Verbesserung der Beziehungen notwendig ist“, sagte Ungarns Außenminister Gyula Horn nach der Begegnung.
An dem Treffen mit dem rumänischen Staats- und Parteichef Nicolae Ceausescu, Ministerpräsident Ion Stoian und Politbüromitglied Constantin Dascalescu nahmen von ungarischer Seite der Vorsitzende des Parteipräsidiums Rezsö Nyers, Ministerpräsident Miklos Nemeth und Außenminister Horn teil. Die ungarische Delegation habe vor allem auf die „Verschlechterung der Situation der ungarischen Minderheit in Rumänien hingewiesen“, sagte Horn laut 'mti‘.
Dabei habe die ungarische Seite unterstrichen, daß Rumänien auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen und der Schlußakte von Helsinki Verpflichtungen habe. Nyers habe Bukarest aufgefordert, das „Systematisierungsprogramm“ - das heißt die Zerstörung der Dörfer - sofort einzustellen und eine unparteiische Delegation zur Prüfung der Lage zuzulassen. Diese Forderung sei von Ceausescu zurückgewiesen worden, berichtete Horn. Es gebe die von Ungarn angesprochenen Probleme in Rumänien nicht, die Nationalitätenfrage sei „bestens geregelt“, habe Ceausescu geantwortet. Horn stellte nach dem „in stürmischer Atmosphäre“ verlaufenen Treffen fest, es gebe keinen Anlaß zum Optimismus. Trotzdem müsse man jede Chance zu Verhandlungen nützen.
Die Beziehungen zwischen den beiden sozialistischen Nachbarländern haben sich in den letzten Jahren wegen der Minderheitenpolitik Rumäniens und der Einebnung von Dörfern der ungarischen Minderheit erheblich verschlechtert. Rund 30.000 Angehörige der Minderheit haben inzwischen im Mutterland Zuflucht gesucht. Insgesamt leben rund zwei Millionen Ungarn in Rumänien.
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