Castortransport nach Gorleben: Mit Polizeigewalt gegen Bürgerproteste
Kleindemonstrationen, Blockaden, Schotteraktionen, Wasserwerfer: Die Auseinandersetzung rund um das Zwischenlager Gorleben spitzt sich schon am Freitag zu.
DANNENBERG taz | Die Auseinandersetzung um den diesjährigen Castortransport hat deutlich an Schärfe gewonnen, seitdem der Zug mit elf hochradioaktiven Atommüllbehältern am Freitag die französisch-deutsche Grenze überquert hat. Laut Angaben der Polizei sollen in einem Waldgebiet bei Harlingen am Freitag zwei Streifenwagen mit Molotowcocktails in Brand gesetzt worden sein. Auch kam es zu ersten Schotteraktionen an der Schienenstrecke.
Bei einer Aktion versuchten rund 100 Atomkraftgegner, vorübergehend Gleisbetten zu unterhöhlen und unbefahrbar zu machen. Die Polizei stellte dabei von 62 Personen die Personalien fest und nahm einige Personen fest. Rund um den Zwischenlagerstandort Gorleben, an dem am Wochenende die Castorbehälter erwartet werden, kam es zu dutzenden Kleindemonstrationen, Versammlungen und kleineren Blockadeaktionen.
Gekippt war die friedliche Stimmung am Donnerstagabend, als die Polizei mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Tränengas gegen eine zunächst friedliche Versammlung auf einer Bundesstraße bei Metzingen vorgegangen war. Demonstranten hatte daraufhin vereinzelt Eier und Steine geworfen sowie Knallkörper und Raketen gezündet. Die Polizei sprach von 7 verletzten Beamten, Atomkraftgegner von 22 verletzten Demonstranten. Niedersachsens Innenminister und die Polizeiführung hatten bereits vor den Protesten ein entschlossenes Vorgehen der Beamten gegen Störaktionen angekündigt.
Anti-Atom-Initiativen kritisierten das Vorgehen der Polizei am Freitag scharf. "Polizeigewalt ist kein legitimes Mittel, um Bürgerproteste gegen die illegale Strahlenfracht ins Wendland zu unterdrücken", beklagte Kerstin Rudek, Sprecherin der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Die Bürgerinitiative ruft wie zahlreiche weitere Gruppen für das Wochenende zu vielfältigen und bunten Protesten auf.
Dabei gibt es seit Jahren einen Konsens im Wendland, dass durch die friedlichen Proteste keine Menschen zu Schaden kommen sollen. Auch bei den letzten Protesten im November 2010 war es vor allem die Polizei gewesen, die unter massivem Einsatz von Pfefferspray immer wieder entschlossen gegen Anti-Castor-Demonstranten vorgegangen war.
Carsten Niemann von der Bäuerlichen Notgemeinschaft, einem Zusammenschluss von Bauern in der Region Lüchow-Dannenberg, sagte am Freitag: "Wir sind stinksauer. Wir haben uns die letzten Jahre stets bemüht, den Protest mit deeskalativen Maßnahmen friedlich zu gestalten. Die Polizei muss sich darüber im Klaren sein, dass ihre überzogenen Machtdemonstrationen eine eskalierende Wirkung entfalten können."
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, zeigte sich am Freitag "überrascht von den heftigen Auseinandersetzungen". Unter den Polizisten sei die Stimmung bereits angespannt.
Unterdessen kam es auch in anderen Teilen Deutschlands zu Protestaktionen gegen den Castortransport. Bei Neunkirchen im Saarland wurden nach Angaben südwestdeutscher Anti-Atom-Initiativen zwei Atomkraftgegner von Polizisten von den Gleisen gezogen. In Speyer gab es eine Kundgebung von Atomkraftgegnern.
Auf der Bahnstrecke zwischen Kassel und Korbach verübten Unbekannte nach Polizeiangaben einen Brandanschlag auf einen Kabelschacht an einer Bahnanlage. Wie ein Sprecher der Bundespolizei sagte, sei dabei ein Glasfaserkabel in Brand gesteckt worden. "Aufgrund der Tatbegehungsweise und entsprechender Ankündigungen im Vorfeld gehen wir von einem Zusammenhang mit dem Castortransport aus."
Der Zug, der am Freitagmorgen bei Forbach die französisch-deutsche Grenze überquerte hatte, hatte am Nachmittag einen neuerlichen Halt in Neunkirchen eingelegt. Die Ankunft des Transports in Niedersachsen erwarten Atomkraftgegner für den frühen Samstag.
Für die Nacht waren im Wendland zahlreiche weitere Blockadeaktionen geplant. Für den heutigen Samstag ruft ein breites Bündnis aus atomkraftkritischen Gruppen zu einer Großkundgebung gegen Atomkraft und den Endlagerstandort Gorleben sowie zu Schienen- und Straßenblockaden auf.
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