Castor-Berichterstattung: Geisterzug durchs Wendland

Journalistenverbände protestieren bei der niedersächsischen Polizei dagegen, dass sich ReporterInnen beim Castor-Transport akkreditieren lassen sollen. Polizei will Einsatzkräfte in Sachen Presseausweise schulen.

Nicht jeder Presseausweis hält dem kritischen Blick der Castor-Polizei stand. Bild: DPA

Der Castor rollt und niemand erfährt davon - oder zumindest nichts von den Protesten. Dieses von der Atomlobby sicher geschätzte Szenario könnte durchaus eintreten, wenn Anfang November der Atommülltransport nach zweijähriger Pause wieder durchs Wendland ins Zwischenlager Gorleben rollt und Medienberichterstatter aus Protest fernbleiben. Denn zurzeit herrscht unter ReporterInnen heftiger Unmut darüber, dass die Polizei die Berichterstatter vorauswählen möchte, indem sie sich zuvor akkreditieren lassen müssen.

"Die haben wohl einen Knall", reagierte ein langjähriger Mitarbeiter einer Nachrichtenagentur, als er die Mail der Polizeipressestelle "Castor Transport 2008" erhielt. Darin werden alle Berichterstatter aufgefordert - ohne Berücksichtigung der Legitimation durch den amtlichen Presseausweis - sich möglichst fernmündlich oder per Mail zu akkreditieren. Dies sei auch noch vor Ort möglich. In einem Nebensatz wird darauf hingewiesen, dass die Innenministerkonferenz ihre Autorisierung der Presseausweise für das kommenden Jahr nicht mehr erteilt hat. Bislang war das durch einen Aufdruck auf der Rückseite erfolgt. "Das ist eine direkter Hinweis, dass der Presseausweis nichts mehr wert ist", schimpft ein Pressefotograf.

Es hagelte Proteste vieler Fernsehsender, Nachrichtenagenturen, überregionaler Zeitungen und nicht zuletzt der Gewerkschaften. "Wir fordern Sie nachdrücklich auf, diese Praxis zu beenden und den von uns verantwortlich herausgegebenen Presseausweis weiterhin als bewährtes Dokument anzuerkennen", schreibt Ulrike Maercks-Franzen, die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalisten Union (DJU) in der Gewerkschaft Ver.di, an die niedersächsische Polizei. "Ihre Ausführungen über den Presseausweis in dieser Form sind unzutreffend", so die DJU-Verantwortliche.

Seit 1950 gibt es eine Vereinbarung der Journalistenverbände DJU und DJV sowie den Verlegerverbänden BDZV und VDZ - die Presseausweise ausstellen - sowie andererseits der Innenministerkonferenz (IMK), die den Ausweis per Stempel legitimiert. Strikes Kriterium: Ausgegeben werden die Ausweise nur an hauptberufliche Journalisten. Die IMK wollte dies nun lockern und auch Video-, Internet- und Handy-Reporter berücksichtigen. Die Verbände befürchteten eine Entwertung der Ausweise und verzichteten lieber auf den Minister-Stempel, der in der Praxis ohnehin keine Rolle spielte. KVA

"Ein Akkreditierungsverfahren durch die Polizei ist völlig überflüssig", bekräftigt auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verband (DJV), Michael Konken. "Der Presseausweis reicht aus." Immer mehr Berichterstatter kündigten an, das Akkreditierungsverfahren zu boykottieren.

Dass die Staatsmacht durch Akkreditierungen die Berichterstattung zensieren möchte, ist nicht neu. Bereits beim letzten Castor Transport vor zwei Jahren war der Zugang zum so genannten "Pressecamp" in Dannenberg - in dem Medienberichterstatter die Verladung der Castoren vom Zug auf die Sattelschlepper beobachten konnten und wo sich auch die mobile Pressestelle befand - zunächst nur per Sonderausweis möglich. "Wir haben das einfach ignoriert und die Ausweise im Auto liegen lassen", berichtet ein Reporter eines Magazins. Man habe angedroht, nicht mehr über die Polizei-Pressekonferenzen zu berichten, sagt er, daraufhin hätte die Polizei mit den "Kaspertheater" aufgehört.

Beim G 8-Gipfel im mecklenburgerischen Heiligendamm im vorigen Jahr - aufgrund dessen der turnusmäßige Castor-Transport ausfiel - war die Polizei indes konsequenter. Dort wurde Journalisten - unter anderem dem taz-Redakteur Felix Lee und der taz-Fotoreporterin Marily Stroux - nach einem Gesinnungs-Check die Akkreditierung verweigert. Stroux klagte sich den Zutritt ins Sperrgebiet vor Gericht ein.

Solche Eskalationen schließt Torsten Oestmann, der Sprecher der Castor-Polizei aus dem niedersächsischen Rotenburg, gegenüber der taz aus. "Wir empfehlen, sich akkreditieren zu lassen, diese Akkreditierung ist aber freiwillig", rudert Oestmann zurück. Es werde auch nicht nach "sicherheitstechnischen Gesichtspunkten" ausgesiebt, verspricht der Polizeisprecher. Das Akkreditierungs-Procedere sei jedoch eine Folge dessen, dass die Innenminister ihre Unterschrift für die amtlichen Presseausweise zurückgezogen hätten. Nun habe die Polizei Schwierigkeiten, da sie es mit einer "Vielzahl, Flut und Arten von Presseausweisen" zu tun habe. "Wer einen Ausweis von DJU, DJV und Co hat, wird keine Probleme haben", versucht Oestmann zu beschwichtigen. Die Polizei werde extra eine Broschüre mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren für die eingesetzten Polizeibeamten herausgeben, in der der amtliche Presseausweis als Legitimation dokumentiert sei. Oestmann: "In der Praxis sehe ich beim Castor-Transport keine Probleme."

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